Die Resozialisierung des Christian Wulff

Freispruch für Ex-Bundespräsidenten beim Wort nehmen

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Foto: Young David (DY)

Christian Wulff hat gewonnen. Er, der das höchste Amt, die Frau, das Haus und in der Wahrnehmung vieler auch die Ehre verloren hatte, steht nach dem Freispruch als Sieger da.

Wo ein Sieger ist, müsste es auch Verlierer geben. Nicht nur in Gestalt beißwütiger Staatsanwälte, deren Ermittlungen zum Rücktritt des Bundespräsidenten führten und die sich schon deshalb unter Druck fühlten zu liefern. Und sich dabei verrannten — so die Kritik. Auch die Medien könnten, wenn man nach einem Freispruch in den Kategorien von Sieg und Niederlage denkt, als Verlierer dastehen. Treibjagd, Medienkam-pagne — so die Vorwürfe.

Dass es Grenzüberschreitungen gab, dürfte unstrittig sein. Aber auch wenn am Ende strafrechtlich nichts übrig bleibt: Es ist eine für die Gesellschaft wichtige Aufgabe der Medien, mögliche Unregelmäßigkeiten auszuleuchten. Dazu hatten die Umstände eines Hauskredits der Wulffs durchaus Anlass gegeben. Dass es dann weiter und immer weiter ging, hatte auch mit dem Taktieren Wulffs zu tun, der es versäumte, alle Fakten auf den Tisch zu legen. Was zu weiteren Recherchen führte.

Schon vor Prozessbeginn war fast nichts von den zahlreichen Vorwürfen übrig geblieben. Das aber zeigt gerade die Stärke des nicht strafwütigen Rechtsstaats. Das Argument, ein Prozess wegen des letzten übriggebliebenen Punkts sei wegen der „paar hundert Euro“ überzogen, ist indes falsch. Der Betrag spielt keine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob der erste Mann im Staat eventuell bestechlich ist. Er muss sich an den Maßstäben messen lassen, die an jeden Beamten angelegt werden.

Dass Wulff auch diesen letzten Vorwurf nicht stehen lassen wollte und eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung von 20 000 Euro ausschlug, war konsequent. Nur ein Freispruch führt zur rechtlich weißen Weste. Eben dies sollte die Öffentlichkeit nun anerkennen. Zwar kann niemand vor Gericht seinen guten Ruf einklagen, und am Bild des einst so steilen Aufsteigers wird manches durch die Affäre bekannt Gewordenes hängen bleiben. Doch der Freispruch darf nicht nur als rechtliche Reinwaschung angesehen werden, sondern sollte auch zu einer medialen Resozialisierung Wulffs beitragen.

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