„Art and Press“: Ausstellung über eine Hassliebe

Berlin (dpa) - Es liest sich wie das Who is Who der zeitgenössischen Kunst: Ai Weiwei, Joseph Beuys, Damien Hirst, Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Andy Warhol, Julian Schnabel, Gerhard Richter - mehr als 50 international renommierte Künstler präsentieren bei der Ausstellung „Art and Press“ in Berlin ihre Reflexionen zum Medium Zeitung.

Wohl selten ist so hochkarätig über die Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit in den Medien nachgedacht worden - die Geschichte einer Hassliebe.

„Wir wollten wissen, wie in der Zeit des Medienwandels die Kunst auf das Zivilisationsgut Zeitung reagiert“, sagte der Vorsitzende der Bonner Stiftung Kunst und Kultur, Walter Smerling, als Initiator des Projekts. Bis zum 24. Juni zeigt der Martin-Gropius-Bau die Schau in 25 durchkonzipierten Räumen. 15 Künstler haben eigens Werke geschaffen, die anderen steuerten spezielle Arbeiten zu dem Thema aus ihrem Oeuvre bei. Dazu gibt es einen historischen Rückblick mittels iPad - dem großen Konkurrenten der Zeitung.

Herz der Ausstellung ist die atemberaubende Installation „Die Buchstaben“ von Anselm Kiefer im Lichthof des Gropius Baus. Der 67-Jährige setzt alte Druckmaschinen in den Renaissancebau, aus denen statt Buchstaben riesige Sonnenblumen quellen - eine vielschichtige Meditation über das Entstehen von Wissen, Vergänglichkeit und Zukunft.

Daneben stapeln sich vor einer riesigen Wand bis zur Decke hinauf zahllose Bündel verschnürter Zeitungspakete als „Trümmer der Geschichte“ (Gustav Metzger), um die Ecke röhrt ein Hirsch von einem Stapel Altpapier herunter (Gloria Friedmann). Von Sigmar Polke stammt als zentraler Raum die ironisch-bissige Serie „Original + Fälschung“.

Die britischen Künstler Gilbert & George, die mit Bildern aus ihrem jüngsten Zyklus „London Pictures“ präsent sind, bringen das Verhältnis von Kunst und Medien auf eine einfache Formel. „Kunst braucht die Presse, die Presse schafft Öffentlichkeit“, sagt das Künstlerpaar, standesgemäß im abgeschabten Tweed, der Nachrichtenagentur dpa fast wie aus einem Mund.

Und die israelische Künstlerin Sigalit Landau hat sich für ihre Installation „News Delivery Round“ von ihrem morgendlichen Zeitungsboten inspirieren lassen: „Die Zeitung ist das Medium, das uns immer sofort in die Realität holt.“

Das von dem chinesischen Dissidenten Ai Weiwei beigesteuerte Kunstwerk „Untitled“ kam erst wenige Tage vor Ausstellungseröffnung in Berlin an. Der unter strengem Hausarrest stehende Künstler schickte eine Installation aus Eisenstäben, die bei dem großen Erdbeben 2008 in vielen eingestürzten Schulbauten fehlten - rund 1000 Schüler kamen unter den Trümmern ums Leben. Weil die Medien in China nicht über solche Baumängel berichten dürften, mache der Künstler das mit seinen Mitteln, so Smerling. „Es ist ein Beitrag der Kunst, auch hinter die Dinge zu schauen.“

Fast zwei Jahre haben der Stiftungsvorsitzende und seine Mitstreiter an der Ausstellung gearbeitet, der Energiekonzern RWE beteiligte sich als Sponsor, die „Bild“-Zeitung trieb das Projekt als Medienpartner voran. „Die Antworten der Künstler sind voller Phantasie, voller Inspiration und unglaublich vielschichtig“, sagte Smerling. „Die Künstler sind es, die uns die Augen öffnen.“

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