Theater geben Flüchtlingen und Helfern eine Stimme

Leipzig/Potsdam (dpa) - Eine kurdische Frau erzählt von ihrer gefährlichen Bootspassage mit ihrem Kind im Mittelmeer. Ein Syrer schildert den schmerzlichen Abschied von seiner Mutter. Und deutsche Sozialarbeiter klagen über ihren verzweifelten Kampf mit der Bürokratie.

Theater geben Flüchtlingen und Helfern eine Stimme
Foto: dpa

Das sind drei Szenen aus dem Stück „Brennpunkt X“ von Nuran David Calis, das am Donnerstag am Theater der Jungen Welt in Leipzig Premiere haben wird. „Mit dem Stück wollen wir Flüchtlingen eine Stimme geben“, sagt Intendant Jürgen Zielinski.

Elf Flüchtlinge aus Syrien, Marokko, Pakistan, Tunesien, dem Irak und dem Libanon sowie fünf Schauspieler des Ensembles stehen auf der Bühne. Mehrsprachig schildern die Akteure ihre eigenen Erlebnisse auf der Flucht, ihre Ängste, Hoffnungen und Träume: auf Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Kurdisch und Urdu.

Die Texte werden teils von deutschen Schauspielern übersetzt, Videoeinspielungen helfen dem Zuschauer, die Geschichten zu verstehen. „Brennpunkt X“ war 2015 von Regisseur Jörg Wesemüller in Saarbrücken auf die Bühne gebracht worden. „Nach Gesprächen und Interviews habe ich es speziell für Leipzig komplett neu inszeniert“, sagt er.

Seit sieben Wochen proben die überwiegend jungen Leute an dem Stück, das keine durchgängige Handlung hat. „In Schlaglichtern erzählen die Akteure ihre Erlebnisse auf der Flucht, in den Aufnahmelagern und bei den hiesigen Behörden“, sagt Regisseur Jörg Wesemüller. Die deutschen Schauspieler übernähmen zum Beispiel die Rollen von aufopferungsvollen Sozialarbeitern und Helfern. Aber auch von denjenigen Zeitgenossen, die alle Geflüchteten am liebsten gleich wieder vor die Tür setzen möchten.

Um die Motive von Flüchtlingshelfern geht es ebenfalls am Donnerstag am Potsdamer Hans Otto Theater in der Deutschland-Premiere des Stücks „Illegale Helfer“ von Maxi Obexer. Menschen erzählen, wie sie aus verschiedenen Gründen illegalen Einwanderern und Flüchtlingen geholfen haben. Verwaltungsrichter, Anwälte, Studenten, Studienräte, Aktivisten, Bergbauern: Alle sind fiktive Figuren, deren Aussagen aber auf echten Interviews beruhen.

„Das Stück erzählt von denen, die aus Humanität helfen“, sagte Obexer der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch). Es gebe etwa eine 84-jährige Schweizerin, die ein Doppelleben führe: „Sie sagt, sie ertrage den Umgang mit Geflüchteten nicht, sie möchte ein reines Gewissen haben.“ Neben Rechtshilfe bringe sie auch Menschen zur Grenze oder helfe beim Untertauchen.

Obexer sagte, zentrale Frage sei für sie: „Was, wenn mein Staat nicht menschlich ist, also wenn er Hilfe kriminalisiert?“ Die Figuren erinnerten daran, „dass es auch noch Menschenrechte gibt und Menschen, die sich dazu entscheiden, menschlich zu handeln“.

In Leipzig steht auch der 20-jährige Syrer Baraa Alkurdi auf der Bühne. Er ist seinerzeit über die Balkanroute nach Deutschland gekommen, als die Flucht über Ungarn noch möglich war. Es hatte sein Studium abgebrochen und war geflüchtet, weil er in seinem vom Krieg erschütterten Heimatland keine Zukunft mehr sah. Sein Part in „Brennpunkt X“ ist der Abschied von der Mutter. „Verzeih Mama, es tut mit leid Mama, aber ich muss gehn. Bis nach dem Krieg“, heißt es darin.

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