Premiere für Lindenberg-Musical

Berlin (dpa) - Die Mauer durch Berlin verlief nur wenige Meter entfernt vom Theater am Potsdamer Platz. Nun läuft dort das Musical „Hinterm Horizont“ mit der Musik von Udo Lindenberg. Rücksichten auf politische Empfindlichkeiten in Ost und West gibt es nicht.

Zum Schluss liegen sich der echte und der Musical-Udo in den Armen. Ein älterer Panik-Rocker und ein junger Schauspieler und Sänger, beide mit Hut, langen Haaren und Sonnenbrille. Und beide sehr gerührt.

Nicht nur auf der Bühne, auch im Zuschauerraum floss die eine oder andere Träne, bei der Vorpremiere von „Hinterm Horizont“, dem Musical mit den Liedern von Udo Lindenberg. „Gitarren statt Knarren“, der alte Spruch Lindenbergs aus den 80er Jahren, leuchtete einmal groß auf der Bühne im Theater am Potsdamer Platz in Berlin auf. Das Motto des Stücks hätte aber auch heißen können: Lindenberg, die Liebe und die Mauer.

„Hinterm Horizont“ erzählt die Liebesgeschichte zwischen dem jungen Rocksänger Udo aus Hamburg und Jessy, einem „Mädchen aus Ostberlin“, angelehnt an Lindenbergs Lied aus den 70er Jahren. Bei Udo und Jessy verhindert die Grenze zwischen Ost und West das geplante Leben, auch Stasi-Chef Mielke und seine Leute bedrängen Jessy, ihr Vater pocht auf die sozialistische Ehre („Wir haben unser Blauhemd noch mit Stolz getragen“), ihr Bruder flieht und sie muss schließlich eine schwere Entscheidung treffen.

Der Mauerbau vor knapp 50 Jahren, dargestellt mit Originalfilmaufnahmen von Stacheldraht und Panzern, der Fall der Mauer vor 21 Jahren und die Gegenwart ergeben den zeitlichen Rahmen. Neben der politischen Geschichte des geteilten Deutschland präsentiert das Stück auch eine musikalisch-historische Abhandlung: Lindenbergs Lieder über mehr als drei Jahrzehnte, von den rockigen Anfangsstücken bis zu sanften Balladen - „Boogie-Woogie-Mädchen“, „Odyssee“,„Verbotene Stadt“, „Hinterm Horizont“, „Sonderzug nach Pankow“, „Was hat die Zeit mit uns gemacht“ oder „Andrea Doria“.

Die fast drei Stunden dauernde Geschichte ist natürlich - wie von Musicals nach Abba oder Queen-Liedern bekannt - stark konstruiert. Die vielen Szenen und Tanzeinlagen boten dem Drehbuchteam um Autor Thomas Brussig („Sonnenallee“) dafür aber zahlreiche Möglichkeiten, Details der 80er Jahre und besonders des Lebens in der DDR freundlich-satirisch zu illustrieren: Dauerwellenfrisuren, Trainingsanzüge, FDJ-Tanzkurse, Ost-Jeans und ein Stasi-Casting, um dem West-Sänger Udo eine Ost-Konkurrenz entgegenzusetzen.

Dabei analysiert die Stasi aber zuerst einen Konzertauftritt des Original-Udo mit zappelnden Bewegungen und geschleudertem Mikrofon. Sächselndes Fazit der Wissenschaftlerin: „Der Körper macht, was er will. Einer sozialistischen Persönlichkeit ist ein solches Verhalten zutiefst wesensfremd.“ Ein junger Fan nähert sich dem Phänomen Lindenberg bei der Frage: „Was ist ein Star?“ pragmatischer: „Bei Udo war das eine Sache von einer halben Flasche Wodka vor dem ersten Auftritt.“

Nuschelnd, tanzend und singend gelingt es dem jungen Darsteller Serkan Kaya recht gut, den großen - in Wirklichkeit eher kleinen - Lindenberg auf der Bühne darzustellen. Noch überzeugender wirken allerdings Josephin Busch und Anika Mauer als die junge und die ältere Jessy, weil sie nicht ständig an einem real existierenden Vorbild gemessen werden.

Einige Gags enden als üble Kalauer („Da, wo einst die Leber war, steht jetzt eine Minibar“), aber manche Dialoge bieten durchaus Witz à la Brussig oder Lindenberg. Als die Stasi-Offiziere fassungslos einen täuschend ähnlichen Udo-Imitator begutachten, kontert der: „Bin ich hier auf einem Steifftier-Kongress?“ Und nach ihrer gemeinsamen Nacht in Moskau sagt Udo auf der Flucht vor dem KGB zu Jessy: „Wenn der Kommunismus so schön wäre wie du, hätte er eine Chance.“ Eine Einschätzung, die im Zuschauerraum auch angesichts der aktuellen Debatte der Linkspartei für Heiterkeit sorgte.

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