Candide in Bochum: Auf seiner Odyssee wird er zum Skeptiker

Mäßiger Start von Voltaires „Candide oder der Optimismus“.

Bochum. Vom Ruhrgebiet hinaus in die Welt. Hatte Intendant Anselm Weber in Essen noch die Vernetzung mit der Stadt betrieben, so lautet das Motto jetzt in Bochum etwas bemüht "Boropa" (Bochum/Europa).

Will sagen, neben altbekannten Jungstars wie Roger Vontobel oder David Bösch sollen wichtige europäische Theatermacher im Schauspielhaus inszenieren. Zum Intendanzstart dramatisierte jetzt der niederländische Regisseur Paul Koek Voltaires Satire-Roman "Candide oder der Optimismus" (1759).

Der Titelheld muss die These, dass die Menschen in der besten aller Welten leben, auf einer Odyssee des Schreckens überprüfen - die ihn schließlich zum Skeptiker werden lässt. Paul Koek spannt das Geschehen in einen Rahmen aus Erinnerung und Vision ein.

So ist dem freundlichen alten Candide (Jürgen Hartmann) im Anzug ein junges naives Alter Ego (Joep van der Geest) in beigefarbener Strickhose an die Seite gestellt. Auch gibt es einen "Zauberkasten der Imagination" (Bühne: Theun Mosk), in dem Figuren auftauchen und verschwinden, Trickfilmanimationen zu sehen sind und der das Theater selbst als Ort der Utopie zum Gegenstand des Abends macht. Am Rand der Bühne stehen sieben Musiker.

Der junge Candide stolpert mit gutgläubiger Jungenhaftigkeit durch die Welt. Er beobachtet, wie der radebrechende, bezopfte Inquisitor im Dinnerjackett mit dem trotteligen Pangloss (wunderbar: Roland Riebeling) streitet. Er trifft die tot geglaubte Kunigunde (Therese Dörr) wieder, die mittels eines Gummibrustpanzers ständig ihr Alter wechselt. Im sagenhaft reichen Dorado springen Wilde in Unterwäsche mit Pelzbesatz herum.

Candides späterer Vertrauter Martin ist ein verrückter Popmusiker mit Hang zu Tanzeinlagen. Immer wieder findet Paul Koek beeindruckende Bilder, doch letztlich fehlt es dem Abend an satirischer Schärfe und theatralischer Bannkraft. Das liegt nicht zuletzt auch an den sieben Musikern, deren an Leo Janácek angelehnte musikalische Untermalung den Abend eher beschwert statt ihn leichter zu machen.

"Candide oder der Optimismus", 3 ¼ Stunden, eine Pause, Schauspielhaus Bochum, 26.9., 3.10., 19.30 Uhr, Karten: 5,50-23,10 Euro, Tel.: 0234-33 33 55 55

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