Karl-May-Lesemarathon nach 51 Tagen zu Ende

Mittweida (dpa) - „Wie im Theater - live - einmalig!“ Die Schauspielerin Suzanne von Borsody war am Ende des 51-tägigen Lesemarathons aus Werken des Abenteuerautors Karl May begeistert.

Sie hatte die Schirmherrschaft über das Projekt “Gefangene Visionen“ im sächsischen Mittweida übernommen. In der Stadt saß der Schriftsteller 1870 seit dem 14. März sieben Wochen lang in Untersuchungshaft. Dann wurde er wegen Diebstählen und Betrügereien zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt und in Zelle zwei des Gefängnisses im nahen Waldheim verlegt.

Genau in dieser Zeitspanne und in jener Zelle Nummer zwei des ehemaligen Bezirksgefängnisses haben 141 Jahre später Studenten und ihre Helfer Tag und Nacht fast das gesamte Werk des Dichters zum Leben erweckt. Am Schluss wurde er, verkörpert von einem Schauspieler, in Handschellen abgeführt - ganz so wie einst.

„Das hat Spaß gemacht“, sagte eine gut gelaunte Suzanne von Borsody. Sie hatte sich im dunklen Kostüm als eine der letzen Vorleserinnen an den Tisch in der nur sieben Quadratmeter großen Zelle gesetzt und mit lauter Stimme und ausladender Gestik aus „Winnetou I“ gelesen - jener legendären Geschichte von Winnetou und Old Shatterhand. Die Indianergeschichten von Karl May hätten sie auch als Kind schon immer besonders fasziniert, sagte sie. Lesen sei wie ein Tor in die Freiheit: „Ein Kleinkrimineller im Gefängnis, der sich in die Freiheit träumt und in seinen Geschichten Gut und Böse sehr wohl unterscheiden kann.“ Es sei eben jene Sehnsucht nach Freiheit, nach Ferne und dem Guten, das Mays Werk so unsterblich mache.

Ob der Lesemarathon ins Guinness Buch der Rekorde eingehen wird, steht noch nicht fest. „Wir werden der Redaktion unsere Unterlagen zusenden“, sagte die 20-jährige Stefanie Walter, eine der Projektleiterinnen. Mehr als 2000 Leute hätten sich beteiligt, manche mehrfach. „Die Aktion war eine großartige Idee“, sagte die 41-jährige Maria Müller aus der Nähe von Mittweide. „Das war Stadtgespräch.“ Sie habe zwei Mal mitgemacht und dabei Karl May für sich entdeckt.

Rund 55 000 Seiten aus den kleinen, grünen Bändchen wurden vorgetragen - 65 Romane, 16 Erzählungen und vier biografische Aufzeichnungen. Selbst als bei einem Fehlalarm die Feuerwehr anrückte und das Gebäude evakuierte, gab es keine Unterbrechung. Geistesgegenwärtig hatte einer der Studenten ein Buch ergriffen und vor der Tür im Schein einer Laterne weitergelesen. Prominente haben mitgemacht wie „Tagesschau“-Sprecher Jan Hofer oder Ex-„Tatort“-Kommissar Peter Sodann.

Für den Mittweidaer Medienprofessor Ludwig Hilmer, dem eigentlichen Initiator, war die Aktion ein voller Erfolg. Mehr als 100 Zeitungsberichte und 60 Radio- und Fernsehbeiträge habe es gegeben.

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