Asarenka: Die einsame und unverstandene Nummer eins

Melbourne (dpa) - Am Tag danach waren die Tränen wieder getrocknet. Heiter und gelöst präsentierte sich Victoria Asarenka im Königlichen Botanischen Garten von Melbourne und posierte mit dem Daphne Akhurst Memorial Cup für die Fotografen.

Im weißen Sommerkleid strahlte die 23-Jährige trotz kühler Temperaturen in die Kameras, stolz und erleichtert nach ihrem zweiten Triumph bei den Australian Open keine 15 Stunden zuvor.

Im Finale gegen die Chinesin Li Na hatte die Weltranglisten-Erste in der Rod Laver Arena allen Widrigkeiten getrotzt und die Asiatin nach 2:40 Stunden mit 4:6, 6:4, 6:3 besiegt. Danach konnte sie ihre Emotionen nicht mehr kontrollieren. Hemmungslos weinte die sonst so toughe Asarenka in ihr Handtuch.

Titel verteidigt, Platz eins in der Weltrangliste behauptet und 1,88 Millionen Euro kassiert - nur in die Herzen der Tennis-Fans hatte sich die Weißrussin auch dieses Mal nicht gespielt. „Victoria schnappt sich die Krone, aber Melbourne gewinnt sie nicht für sich“, schrieb die australische Tageszeitung „The Sun Herald“ passend.

Asarenka bleibt die große Unverstandene. Fast schon einsam feierte sie den Erfolg mit ihrem kleinen Anhang in der Box, darunter ihr flippiger neuer Freund, der US-DJ Redfoo. Der Rest der knapp 15 000 Zuschauer in der schmucken Arena applaudierte höflich, doch selten wurde ein Champion so wenig gefeiert wie sie.

„Ich hatte gedacht, dass es noch schlimmer wird“, sagte Asarenka zur kühlen Atmosphäre im australischen Tennis-Tempel. Seit sie im Halbfinale gegen das neue amerikanische It-Girl Sloane Stephens kurz vor dem Ende eine umstrittene Zehn-Minuten-Pause genommen und damit heftige Diskussionen ausgelöst hatte, erlebte Asarenka beim Grand-Slam-Auftakt der Saison eine Art Spießrutenlauf.

Auch ihr Versuch, ihr Verhalten am Tag vor dem Endspiel in zahlreichen Interviews zu erklären, sorgte nicht für einen Stimmungsumschwung. „Ich habe es hundertmal erzählt, mehr kann ich auch nicht machen“, meinte Asarenka. Mit der Kapuze über dem Kopf und Ohrstöpseln mit lauter Musik betrat sie das Stadion. Es wirkte schon da so, als bereite sie sich für einen Kampf „Ich gegen den Rest der Welt“ vor.

„Die vergangenen Tage waren nicht einfach. Es war sehr emotional“, gestand Asarenka. „Deshalb bedeutet mir dieser Titel ganz besonders viel.“ Auch das Duell mit Li Na, die sie Down Under am liebsten adoptieren würden und schon als „Aussie Na“ bezeichnen, hielt weitere Bewährungsproben für die Nummer eins der Welt parat.

Tränen, Schmerzen, Schrecksekunden und ein buntes Feuerwerk - das Damen-Finale wurde zu einem großes Spektakel, wenn es auch mehr Drama als gutes Tennis bot. Zweimal ging Li Na in der 2:40 Stunden langen Partie zu Boden, nachdem sie jeweils mit dem linken Fuß umgeknickt war. Es hatte schon eine gewisse Komik, dass, nachdem zwei Tage lang alle über Asarenkas medizinische Auszeit diskutiert hatten, fast eine verletzungsbedingte Aufgabe ihrer Gegnerin Asarenka zum Titel verholfen hätte.

„Es war nicht einfach, fokussiert zu bleiben“, gestand die Osteuropäerin, zumal das Finale im dritten Satz auch noch wegen das traditionellen Feuerwerks am Australia Day unterbrochen wurde. Doch Asarenka zeigte eine beeindruckende mentale Stärke und holte sich den Titel. Mit „Queen Victoria“, würdigte sie die „Sunday Herald Sun“ am Sonntag immerhin. Doch es bleibt für Asarenka noch ein weiter Weg, bis ihre unbestrittenen sportlichen Fähigkeiten die verdiente Akzeptanz erfahren.

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