Kroos trifft Schweden ins Herz Späte Niederlage: Tre Kronor zwischen Frust und Wut

Sotschi (dpa) - Jimmy Durmaz stand vor dem Training vor seiner Mannschaft, las eine bewegende Erklärung von seinem Smartphone ab und brüllte zum Ende vor den versammelten Journalisten mit allen zusammen: „Fuck racism“ (in etwa: Scheiß Rassismus).

Kroos trifft Schweden ins Herz: Späte Niederlage: Tre Kronor zwischen Frust und Wut
Foto: dpa

Dann weinte er.

Der 29 Jahre alte Schwede hatte am Samstagabend den Freistoß verursacht, den Toni Kroos zum 2:1-Siegtreffer für Deutschland verwandelte. Von Emil Forsberg, Albin Ekdal und all den anderen Mitspielern gab es deswegen keinerlei Vorwürfe. Bei Instagram hingegen wurde der türkischstämmige Durmaz massiv rassistisch beleidigt.

„Es ist ekelhaft, dass das überhaupt existiert. Um ehrlich zu sein: Es ist eine beschämende Situation für Schweden“, sagte Sebastian Larsson. „Das ist ein Statement, um zu zeigen: Das ist nicht okay. In keiner Art, auf keine Weise.“ Der Verband erstattete Anzeige.

Bereits unmittelbar nach der bitteren Niederlage hatten die Schweden mit ihren Emotionen zu kämpfen - allerdings aus ganz anderen Gründen. Und daran waren Mitglieder der deutschen Delegation schuld. Im Anschluss an Kroos' Treffer hatten vor allem DFB-Büroleiter Georg Behlau und Uli Voigt aus der Medienabteilung ihre Emotionen in der Fischt-Arena in Sotschi nicht mehr im Griff. Provokant ballten sie die Fäuste in Richtung der schwedischen Bank und machten hämische Gesten. Die FIFA eröffnete am Sonntagabend ein Disziplinarverfahren gegen Behlau und Voigt.

„Ein ekelhaftes Verhalten“, schimpfte Bundesliga-Profi Forsberg von RB Leipzig. „Nach dem Schlusspfiff schüttelt man sich die Hände und benimmt sich nicht so“, motzte auch Schwedens Trainer Janne Andersson.

Die späte Entschuldigung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) über die sozialen Netzwerke am frühen Sonntagmorgen dürfte den schwedischen Frust kaum verringert haben. Diese Reaktionen und Gesten seien teils „zu emotional“ gewesen, entschuldigte sich der DFB unter anderem via Twitter. „Ich habe es nur getan, weil wir gewonnen haben. Das war nicht in Ordnung“, wurde Voigt von schwedischen Medien zitiert. Er war für ein Sorry auch in der schwedischen Kabine. Die Enttäuschung der Skandinavier nach dem Kroos-Tor in der fünften Minute der Nachspielzeit bleibt ungeachtet dessen riesig.

Auch tags darauf schwankten die Emotionen bei Schwedens besten Fußballern noch zwischen Wut, Enttäuschung und dem Wissen um einer letzte Chance gegen Mexiko. „Ich sage nicht, dass wir das bessere Team sind. Aber ich glaube vollkommen daran, wie wir Fußball spielen“, sagte Larsson mit etwas Abstand zu einer der „schmerzhaftesten Niederlagen, die Schweden je erleiden musste“, wie es die Stockholmer Tageszeitung „Dagens Nyheter“ am Sonntag formulierte.

Auch Forsberg schmerzte die Erinnerung an das Gegentor noch lange. Kroos' kurzer Anlauf. Seine Schritte zum Ball. Der Einschlag oben rechts ins schwedische Tor. „Du hast so viel gekämpft, du hast alles gegeben, alles gemacht, alles getan“, sagte der erschöpfte Mittelfeldspieler. „Und dann kriegst du so ein Tor rein. Das ist Fußball, und das tut weh manchmal.“ Sein Trainer, der 55-jährige Andersson, sprach sogar vom „schwersten Resultat für uns in meiner Karriere“.

Fast die komplette Spielzeit war Schweden in der Defensive gewesen. Lediglich 29 Prozent Ballbesitz verdeutlichen die Offensivbemühungen der DFB-Auswahl, der die Schweden über 90 Minuten lang ausgesetzt waren. Bezeichnend für ihr auf einer kompakten Ordnung basierendes Spiel war auch, dass Torhüter Robin Olsen zu ihren Besten gehörte.

„Das ist auch schwer, wenn du wenig den Ball hast und immer nur laufen musst“, sagte Forsberg. „Weil du dann müde bist, wenn du den Ball bekommst.“ Im entscheidenden Gruppenspiel gegen Mexiko am Mittwoch müsse seine Mannschaft daher auch offensiver agieren. An der notwendigen Leidenschaft mangelt es dem Vize-Weltmeister von 1958 jedenfalls nicht. „Es war unnötig, dass wir nicht wenigstens einen Punkt geholt haben“, sagte Trainer Andersson und kündigte bei aller Enttäuschung trotzig an: „Wir werden uns wieder aufraffen.“

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