Abenteuer-Tourismus Die Danakil-Senke in Äthiopien: Urlaub am Höllenschlund

Dallol (dpa/tmn) - Nach Anbruch der Dunkelheit wird es in der nordäthiopischen Danakil-Wüste endlich kühler. Bei nur noch 35 Grad Celsius und heißen Windböen beginnt für abenteuerlustige Reisende der Aufstieg zum aktiven Vulkan Erta Ale.

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Im Schein der Taschenlampen bahnt sich der Führer vom Nomadenvolk der Afar einen Weg quer über das Lavagestein. Nach rund vier Stunden Aufstieg und einigen Liter Wasser ist der Kraterrand erreicht: Zum ersten Mal schweift der Blick der Reisenden in Richtung der brodelnden Lava.

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„Einen aktiven Vulkan zu sehen, ist einfach faszinierend“, sagt die Schweizerin Fabienne Marbacher. Der Erta Ale ist einer der wenigen Vulkane in der Welt, der einen permanenten Lavasee aufweist. Die Mühen des schweißtreibenden Aufstiegs auf den gut 600 Meter hohen Gipfel sind schnell vergessen. „Es ist unglaublich: Man sitzt so nahe am Krater und sieht den Eruptionen zu“, sagt die 26-jährige Krankenschwester. Die rohe Naturgewalt zieht sie in ihren Bann: Im Dunkel der Nacht wälzt sich die Lava im Vulkankessel vorwärts, bei Eruptionen spritzen glühende Lavafunken meterhoch heraus.

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Eigentlich spricht alles gegen eine Reise in die Danakil-Wüste: Sie ist einer der heißesten Orte der Welt, die Unterbringung ist primitiv, Sanitäreinrichtungen gibt es keine, Kalaschnikows dagegen fast überall. Doch belohnt das menschenfeindliche Gebiet Reisende mit faszinierenden Landschaften, die kaum von dieser Welt zu sein scheinen: der speiende Vulkan, ein Salzsee, der bis zum Horizont reicht, brodelnde Schwefellöcher und schier endlose Kamelkarawanen.

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Nick Coetsee sitzt andächtig am Kraterrand des Vulkans und beobachtet den Fluß des kochenden Magmas. Das Naturspektakel ist beispiellos. „Mount Doom“, wispert der 27-jährige Geologe aus Simbabwe - das ist der „Schicksalsberg“ aus dem Epos „Herr der Ringe“, in dessen brodelnder Lava der Ring der Macht zerstört werden muss. „Nachdem ich ein Foto von dem Vulkan auf Facebook gesehen hatte, wollte ich diesen Ort unbedingt mit meinen eigenen Augen sehen.“

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Vom einfachen Lager am Kraterrand des Erta Ale führt ein steiler Weg hinab in die Lava-Wüste des Kraterinneren. Rund um den aktiven Lavasee, der einen Durchmesser von geschätzt 100 Metern hat, ist große Vorsicht geboten. Es gibt keinen markierten Weg, keine Sicherheitsvorkehrungen. Die ortskundigen Führer nutzen Erfahrungswerte und Augenmaß, um nicht aus Versehen auf relativ frisches und brüchiges Lavagestein zu treten.

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An vielen Stellen ist grau-schwarze, frische Lava zum Liegen gekommen und wirft Falten, als handele es sich um zerzauste Bettwäsche. Durch kleine Lücken ist darunter an manchen Stellen noch glühende Lava zu sehen. Die oberste Schicht ist oft noch brüchig. Coetsee kommt aus dem Staunen nicht mehr raus: „In jedem entwickelten Land müsste man wahrscheinlich einen Kilometer Sicherheitsabstand einhalten.“

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Nach Mitternacht haben sich alle erstmal am Vulkan sattgesehen. Einfache Matratzen werden ausgebreitet, geschlafen wird unter einem beeindruckenden Sternenhimmel. Um der schlimmsten Hitze zu entgehen, beginnt der Abstieg am Morgen schon vor Sonnenaufgang.

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Die Danakil-Wüste sitzt auf einer Kreuzung tektonischer Platten der Erdkruste, darunter der große afrikanische Grabenbruch („Rift Valley“). Das erklärt die vulkanische Aktivität. Die karge Region des sogenannten Afar-Dreiecks wird vom muslimischen Nomadenvolk der Afar dominiert. Es lebt seit Jahrhunderten vom Salzabbau und der Aufzucht von Kamelen, Eseln und Ziegen. Etwa 100 000 von ihnen sollen heute noch in Äthiopien leben, weitere Stammesbrüder leben jenseits der nahen Grenzen in Eritrea und Dschibuti.

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Eritrea und Äthiopien haben zuletzt von 1998 bis 2000 gegeneinander Krieg geführt. Inzwischen schweigen die Waffen, doch die Nachbarn sind weiterhin verfeindet. Das Auswärtige Amt rät deshalb von Reisen in das Gebiet ab. Im Januar 2012 ereignete sich am Erta-Ale-Vulkan ein Raubüberfall, bei dem unter anderem zwei deutsche Touristen getötet wurden, weitere wurden teils wochenlang festgehalten.

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Seither wurden die Sicherheitsmaßnahmen im Gebiet der Danakil merklich verstärkt: Unterhalb des Vulkans und am Kraterrand sind Soldaten stationiert, genauso in der Dallol-Senke. Zudem muss jede Tourgruppe mindestens einen bewaffneten Sicherheitsmann dabeihaben. Das Auswärtige Amt warnt, in der Region könnten „Überfälle durch Banditen“ und „Entführungen“ nicht ausgeschlossen werden. Seit 2012 hat es dort jedoch keine bekannten Zwischenfälle mehr gegeben.

Die Sicherheit hat ihren Preis. Der Anblick von Soldaten in kurzen Hosen und bunten Plastiksandalen mit lose über der Schulter hängender Kalaschnikow ist keine Seltenheit. Die Sturmgewehre werden von den freundlichen Soldaten teils achtlos getragen, bisweilen zeigt die Mündung der Waffe auch direkt auf Touristen. Als einer der Sicherheitsleute eine kleine Pause braucht, gibt er seine Kalaschnikow kurzerhand an einen schätzungsweise zehn Jahre alten Jungen, der damit im Basislager am Fuß des Vulkans stolz Parade läuft. Auch die Männer der Afar-Nomaden sind häufig bewaffnet.

Die allradgetriebenen Toyota Land Cruiser der Tourgruppen klettern tapfer über das Lava-Gestein in der Nähe des Basislagers des Vulkans. Eine Strecke von zehn Kilometern zurückzulegen, dauert hier rund zwei Stunden. Die Passagiere werden komplett durchgeschüttelt. Und dann noch mal. Und noch mal. Und wieder. Komfort geht anders.

Zwischendurch wundert man sich, wie viel Allradfahrzeuge tatsächlich aushalten. Und doch will man aus dem klimatisierten Fahrzeug kaum aussteigen: Draußen ist das Thermometer auf 51 Grad Celsius gestiegen.

Die ideale Reisezeit für die Danakil-Wüste ist etwa von Oktober bis März, dann ist es nicht ganz so heiß. Die Region kann entweder als Teil einer größeren Äthiopien-Rundreise besucht werden oder als Drei- oder Viertagestour. Die kürzeren Touren starten entweder in der Hauptstadt Addis Abeba mit einem Flug in die nördliche Stadt Mekele, oder man startet direkt in Mekele.

Eine Reise in die Danakil-Wüste ist kein Spaziergang. Die Anforderungen für eine solche Tour umfassen „Teamgeist und Bereitschaft zum Komfortverzicht, gute Ausdauer und Kondition sowie Hitzeverträglichkeit“, heißt es treffend in der Beschreibung eines Reiseanbieters. Duschen oder Toiletten im westlichen Sinn gibt es hier nicht. Selten hat man sich so gefreut, feuchte Einwegtücher zu haben, um Staub und Schweiß auf der eigenen Haut zu bekämpfen.

Die Fahrt vom Vulkan zur sogenannten Dallol-Senke, die gut 100 Meter unterhalb des Meeresspiegels liegt, beansprucht zum Beispiel fast einen ganzen Tag. Und das obwohl es nur rund 80 Kilometer sind. Lange geht es quer durch die brütend heiße Einöde, bis endlich der Assale-Salzsee am Horizont sichtbar wird. Das Wasser des Sees steht etwa knöcheltief auf den schneeweißen Salzplatten. Gespeist aus unterirdischen Quellen, bildet es einen perfekten Spiegel.

Bei knapp 40 Grad Celsius ist das Waten im lauwarmen Salzsee eine erfrischende Abwechslung. Der Himmel ist strahlend blau, die Salzkruste leuchtet weiß. Die Reflexion des Sonnenlichts durch Wasser und Salz ist so stark, dass man es ohne Sonnenbrille kaum aushält. Die intensiven Farben und das brutale Klima lassen die Szenerie erscheinen wie für ein Computerspiel animiert, vergleichbar wohl nur mit dem wesentlich bekannteren Salzsee Salar de Uyuni in Bolivien.

Für die Afar ist die surreale Landschaft Alltag, der Salzsee ist die wichtigste Einkommensquelle der Region. Seit Jahrhunderten baut das Volk hier Salz ab, das aus dem Boden und dann in kleinere Platten gebrochen wird - jeweils etwa so groß wie zwei Laptops. Die Platten, die der Legende nach einst wertvoller waren als Gold, werden dann fein säuberlich auf Kamele verladen. Jeden Nachmittag, sobald die Hitze etwas nachlässt, machen sich Dutzende Kamelkarawanen auf den Weg, das Salz abzutransportieren.

Der Anführer der Karawane hält das erste Kamel am Strick, am Schwanz des Tieres ist das nächste Kamel festgezurrt. So geht es weiter - es entsteht eine Kette von 20 bis 50 voll beladenen Tieren pro Karawane. Stoisch marschieren sie voran, tagein tagaus. Die drahtigen Führer laufen, flankiert von ein paar Eseln, in ihren Plastiksandalen voran. Etwa drei Nächte brauchen die Karawanen bis zum Umschlagplatz.

Im 21. Jahrhundert scheint der mühsame und langsame Transport auf dem Rücken der Kamele ein Anachronismus, vom Nordwesten kommend gibt es inzwischen sogar eine Teerstraße zur Dallol-Senke. Doch die stolzen Afar halten an ihrer Tradition fest. Dank ihrer Kalaschnikows scheint sie auch niemand herauszufordern. Angeblich soll es auch der Sturheit der Afar geschuldet sein, dass in Dallol kein Hotel öffnen darf. Der Tourismus ist willkommen - aber wohl nur bis zu einem gewissen Grad.

Die Jeeps der Tourgruppen brausen über die flache Salzpfanne nach Osten. Dort warten die Schwefelfelder der Dallol-Senke. Das Gebiet ist nur wenige Kilometer von der eritreischen Grenze entfernt, daher sind nun pro Gruppe drei Soldaten mit Kalaschnikows Pflichteskorte. Doch sowohl Sicherheitslage als auch Hitze sind angesichts der surreal leuchtenden Farben der Schwefelfelder schnell vergessen.

Unterirdische vulkanische Aktivität bringt die Mineralien hier an die Oberfläche: Der Schwefel schimmert in allen Gelbschattierungen, aus schneeweißen Salztürmen brodelt Wasser hervor, Eisenablagerungen sorgen für dunkle Rot- und Brauntöne, der Geruch fauler Eier wabert über dem Gebiet. Es gibt keine Wege, keine Absperrungen, als Besucher wird man Teil des Naturspektakels.

An mehreren Orten haben sich kleine Pools mit grünlichem Wasser gebildet, umrandet von einer Salzkruste. Lin Wai Yee aus Hongkong bewegt sich hier nur vorsichtig voran, schließlich könnte man auch einbrechen. „Die Farben und Formen sind wunderschön“, sagt die 23-Jährige. „Man hat das Gefühl, auf einem anderen Planeten zu sein.“

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