Sonntagsbrunch und Begrüßungsküsse: Keine Partnerschaft ohne Rituale

Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Rituale können in einer Beziehung positiv sein: Das romantische Dinner am Kennenlerntag, der Ausflug jeden Sonntag. Sie können aber auch zum einengenden Zwang werden. Dann ist es höchste Zeit, neu über sie zu verhandeln.

Sonntagsbrunch und Begrüßungsküsse: Keine Partnerschaft ohne Rituale
Foto: dpa

Der tägliche Anruf in der Mittagspause, der wöchentliche Brunch am Sonntag, der abendliche Gute-Nacht-Kuss vor dem Einschlafen: Jede Partnerschaft hat eigene Rituale. Und das ist gut so, denn sie sind enorm wichtig für eine Beziehung. „Rituale signalisieren, dass einem der Partner wichtig ist, und man sich Zeit für ihn nimmt. Sie geben damit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, Sicherheit und Geborgenheit“, sagt Doris Wolf, Psychologin aus Mannheim.

Normalerweise entstehen Rituale nicht bewusst. Es sind gemeinsame Gewohnheiten, die sich entwickeln. Ähnlich funktioniert das auch bei Kosenamen: Ein Wort wie zum Beispiel „Sweetie“ oder „Hase“ wird eher zufällig gesagt, der andere reagiert darauf positiv. Schnell wird es zum Ritual, sich so anzureden.

Es gibt allerdings in jeder Partnerschaft negative Rituale, zum Beispiel Nörgeln oder Vorschläge des anderen in bestimmten Situationen abzulehnen. Auch scheinbar positive Rituale - zum Beispiel, dem anderen stets lästige Aufgaben abzunehmen - können problematisch werden. „Je länger ein Paar zusammen ist, umso häufiger treten schädliche und zerstörerische Rituale auf“, erklärt der Psychologe Hans Onno Röttgers vom Universitätsklinikum Marburg. So können zum Beispiel das Anschweigen beim gemeinsamen Essen oder ein aggressiver Ton in der Unterhaltung ritualisiert auftreten.

Bei den positiven Ritualen gibt es viele kleine und wenige große - sie alle stärken die Partnerschaft. So geben die kleinen Rituale dem Alltag eine Struktur und halten die Verbindung zum Partner. Zu den großen Ritualen können der jährliche Besuch eines Wellnesshotels oder das romantische Essen am Kennenlerntag gehören. So etwas löse starke Emotionen aus und hinterlasse beim Paar eine gute Erinnerung, sagt Wolf.

Allerdings können liebgewonnene Gewohnheiten irgendwann kippen und zur Belastung werden. Sie nerven mindestens einen der Partner, engen ihn ein oder bedeuten ihm nichts mehr. „Sie laufen dann nur noch routinemäßig ab“, sagt Christa Roth-Sackenheim, Fachärztin für Psychiatrie in Andernach. Wenn aus einer guten Gewohnheit ein ungutes Zwangsritual geworden ist, sollte der Partner das auf jeden Fall ansprechen.

Das Thema sollte jedoch vorsichtig zur Sprache kommen: Denn für den anderen ist die Kündigung eines positiven Rituals irritierend bis verletzend. „Er kann es sogar als Bedrohung für die Partnerschaft auffassen“, sagt Roth-Sackenheim. Kein Wunder: Ein Ritual, das bislang die Beziehung gestärkt hat, wird plötzlich zumindest infrage gestellt - das bedeutet, es hat sich etwas in der Partnerschaft geändert. In einem solchen Fall sollte das Paar gemeinsam überlegen, was das ist und wie es damit umgehen will.

Der Psychologe Röttgers empfiehlt in solchen Fällen demjenigen, der das Problem anspricht, die Sandwich-Methode: Er sollte also nicht mosern, sondern jeden negativen Aspekt zwischen zwei positiven Erwähnungen einbetten. Denn für das Gegenüber ist es oft schwer, die Kritik am Ritual einzustecken - die Garnierung mit positiven Sätzen macht das leichter. In einer gesunden Partnerschaft werden sich beide einigen können. „Am besten ist es, wenn man dann das Ritual den Bedürfnissen entsprechend abwandelt oder ein neues Ritual findet“, erklärt Wolf.

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