EU-Parlamentspräsident Schulz: Grenz-Vorstoß „Wahlkampfmanöver“

Berlin/Passau (dpa) - EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sieht in der deutsch-französischen Forderung nach Beschränkungen im EU-Reiseverkehr ein Wahlkampfmanöver für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

Der Vorstoß von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinem Kollegen Claude Guéant habe nur wenig mit den tatsächlichen Problemen zu tun, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ („PNP“/Samstag). Auch Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte die Forderung im „Hamburger Abendblatt“ als „rechtspopulistische Rhetorik“, mit der die „aussichtslose Lage“ Sarkozys vor den Präsidentenwahlen an diesem Sonntag verbessert werden solle.

Es gebe derzeit ein Gesetzgebungsverfahren zur Reform des Schengen-Abkommens, erläuterte Schulz. Doch weder die deutsche noch die französische Seite hätten dabei Vorschläge in Richtung Grenzkontrollen eingebracht. Im Gegenteil: „Dänemarks konservative Regierung hatte 2011 vor den Wahlen die Verzweiflungstat begangen, die nationalen Grenzen zu kontrollieren. Deutschland hat diesen Vorstoß für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum damals strikt abgelehnt.“

Zwar sei illegale Einwanderung - „insbesondere durch Schlepperbanden“ - ein Problem für die EU, räumte Schulz ein. Aber man müsse diese Einwanderungsproblematik lösen, bevor sie auf dem Kontinent angekommen sei, sagte er.

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) warnte seinen Kabinettskollegen Friedrich davor, sich „vor die französische Wahlkampflokomotive“ spannen zu lassen. „Der freie Personen- und Warenverkehr ist eine der größten europäischen Errungenschaften, die es zu bewahren gilt“, sagte er der „PNP“.

Der Spitzenkandidat der FDP bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, Christian Lindner, lehnt eine „Renationalisierung europäischer Politik“, wie er es nannte, ebenfalls ab. „Europa ist das Haus der Freiheiten. Eine zentrale Säule ist die Freizügigkeit. Die systematische Aushöhlung des Schengener Abkommens wäre in den Grenzregionen Nordrhein-Westfalens eine massive Behinderung im Alltag“, sagte er dem „Kölner Stadtanzeiger“ (Samstag).

Die Innenminister Friedrich und Guéant wollen Grenz-Kontrollen im Schengen-Raum künftig auch dann für 30 Tage befristet zulassen, wenn ein anderer Schengen-Staat seine Außengrenzen nicht ausreichend gegen illegale Einwanderung schützt.

Auch der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber kündigte Widerstand gegen den Vorstoß an: „Wir werden dafür kämpfen, dass Schengen nicht zurückgebaut wird, sondern gestärkt“, sagte er der Tageszeitung „Die Welt“ (Samstag). „Niemand stellt infrage, dass die Mitgliedsstaaten für die Garantie der Sicherheit zuständig sind.“ Aber für die Reisefreiheit sei nun einmal die EU zuständig, sagte Weber.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sieht in einer möglichen Wiedereinführung der Grenzkontrollen auch ganz praktische Probleme. Nach dem Inkrafttreten von Schengen sei einst ein großer Teil der 10 000 Grenzbeamten an anderen Stellen eingesetzt worden. „Das lässt sich nicht so einfach rückgängig machen, wenn man dafür gerade einen Anlass sieht“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“.

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