Ende eines politischen Super-Schwergewichts

Kremlchef Medwedew feuert mit einem historischen Machtwort Moskaus Bürgermeister.

Moskau. Während seines Staatsbesuchs in China schien Kremlchef Dmitri Medwedew fast Angst vor der eigenen Courage zu haben. Er habe das Vertrauen in Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow (74) verloren. Er entlasse ihn deshalb nach fast 20 Jahren im Amt, sagte er leise im Ton und unsicher im Blick. Dass der 45-Jährige überhaupt ein politisches Super-Schwergewicht feuerte, erschütterte das Land wie ein Beben.

Dem oft als zu wenig machtbewusst und sogar zögerlich kritisierten Medwedew hatten die wenigsten seiner Landsleute diesen angedrohten Schritt zugetraut. Medwedew hatte gehofft, sein Gegner könne das Feld freiwillig räumen. Ausdrücklich schob der Kreml nach Medwedews historischem Dekret nach, dass auch Regierungschef Wladimir Putin im Bilde sei.

Für das im Westen mitunter heraufbeschworene Zerwürfnis zwischen Putin und Medwedew gab es aber weiter keinen Beweis. Zwar galt Luschkow als Putin-Freund. Doch erst hielt sich der Regierungschef auffällig mit Schützenhilfe zurück und verteidigte nun Medwedew. Luschkow habe alle Zeit gehabt, sein Verhältnis zum Kreml zu normalisieren, sagte Putin.

Der Kreml hatte Luschkow sogar vorgeworfen, er versuche einen Keil zwischen Putin und Medwedew zu treiben. Zuletzt mehrten sich auch Stimmen, nach denen Putin von dem als selbstherrlich berüchtigten "Glatzkopf mit der Schiebermütze" genug habe, weil der in Moskau die Filetstücke an sich reiße.

Viele Kommentatoren sehen seit langen die Tendenz, dass die mächtigsten Politiker des Landes gezielt unterschiedliche Lager bedienen: der junge Jurist Medwedew eher die auf liberale Reformen orientierten Russen, der Ex-Geheimdienstchef Putin eher die Konservativen, die an autoritären Strukturen festhalten wollen.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass diese Lager um die Macht bei der Präsidentenwahl 2012 streiten. Nachdem Medwedew nun Luschkow entließ, sprachen Anhänger wie Kritiker des Präsidenten von einem echten Machtbeweis.

"Das ist ein sehr ernster Sieg Medwedews, der zeigt, dass er als Präsident Entscheidungen treffen kann", sagte der Wirtschaftsexperte Mark Urnow. Der Rauswurf Luschkows zeige zudem, dass es dem Tandem Medwedew/ Putin ernst ist mit dem Kampf gegen die bis in höchste Ämter verbreitete Korruption.

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