Wulff und Komorowski würdigen Brandts Kniefall

Warschau (dpa) - Deutschland und Polen sehen sich 40 Jahre nach dem Versöhnungs-Kniefall von Willy Brandt in Warschau vor einem „neuen Aufbruch“ in ihren Beziehungen.

Die Präsidenten beider Länder, Christian Wulff und Bronislaw Komorowski, legten gemeinsam Kränze an der Gedenkstätte für den Ghetto-Aufstand 1943 nieder und würdigten damit die symbolische Geste des SPD-Kanzlers. Sie würdigten am Dienstag auch die Opfer des Warschauer Aufstands gegen die deutsche Besatzung im Jahr 1944. Nach der Niederschlagung der nationalen Erhebung hatten die Nazis Polens Hauptstadt in Schutt und Asche gelegt.

Beim gemeinsamen Auftritt mit Wulff im Warschauer Königsschloss sprach Komorowski anschließend von dem „Wunder der Versöhnung“ mit den Deutschen. Sie könne beispielhaft auch für andere Länder sein. Seine Generation sei „im Geiste der deutschen Bedrohung erzogen worden“. „Der Kniefall Brandts zeigte, dass es auch andere Deutsche - nicht nur Revanchisten und Revisionisten - gab.“ Er stellte allerdings den Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder von 1965 mit den Worten „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ in den Vordergrund des Versöhnungsprozesses. Brandts Politik sei nur eine Zwischenetappe gewesen, so Komorowski.

Wulff würdigte den Kniefall von Brandt auf den Tag genau vor 40 Jahren mit den Worten: „Eine Geste, die uns in ihrer Demut auch heute noch fesselt. Eine Geste, die um Versöhnung bat.“ Brandt habe damit „Verantwortung in einem umfassenden Sinne für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft“ übernommen, sagte Wulff.

„Damit entwickelte sich das Bild eines anderen Deutschen, eines anderen Deutschlands, des freiheitlichen, demokratischen und friedliebenden Deutschlands, das den Ausgleich mit seinen Nachbarn sucht“, betonte er.

Wulff verwies auf das wachsende internationale Gewicht des mitteleuropäisches Gastgeberlandes. „Polen tut Europa gut“, sagte er zum Abschluss der Visite vor der Presse. Komorowski hatte am Vortag Russlands Staatsoberhaupt Dmitri Medwedew empfangen, noch am Abend wollte er zu Gesprächen mit US-Präsident Barack Obama nach Amerika fliegen.

Es war der Wunsch von Komorowski und Wulff gewesen, an diesem Tag gemeinsam Kränze an dem Ghetto-Mahnmal und der Gedenkstätte für den Warschauer Aufstand gegen die Nazi-Besatzung niederzulegen. Wulff und Komorowski diskutierten auch mit polnischen und deutschen Schülern. Sie nahmen zusammen mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel an einer Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung teil.

Gabriel erinnerte an innenpolitische Widerstände gegen Brandts Ostpolitik. „Die Vorwürfe gegen Willy Brandt reichten bis zum Landesverrat“, sagte er. Heute gebe es keine Kontroverse mehr über den Kniefall. Gabriel nannte den 7. Dezember „einen europäischen Friedenstag“.

Auch Wulff erinnerte bei der Veranstaltung an die Debatte in der Bundesrepublik um die Ostpolitik der damaligen sozialliberalen Koalition unter Brandt. Auch Teile der Union sahen darin Gefahren für eine spätere Wiedervereinigung. Wulff sagte, er könne diese damaligen Sorgen nachvollziehen, sie hätten sich aber Gott sei Dank nicht bewahrheitet.

Am 7. Dezember 1970 wurde auch der Warschauer Vertrag unterzeichnet, mit dem die Bundesrepublik die polnische Westgrenze anerkannte. Der Kniefall Brandts fand damals weltweit Beachtung als besonderes Zeichen der Versöhnung.

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