Kim Jong Un: Leiden für den geliebten Führer

Nordkoreas Herrscher wird gottgleich inszeniert. Doch Kim Jong Un muss sich als Staatslenker erst noch bewähren.

Düsseldorf. Sein Geburtsdatum wird gehütet wie ein Staatsgeheimnis, und doch wollen internationale Medien herausgefunden haben, dass Kim Jong Un gestern 29 Jahre alt geworden ist — Nordkoreas neuer Machthaber wirkt ähnlich bizarr wie das Land, das er regiert. Einmal mehr stellt sich die Frage, wie es der einzigen kommunistischen Erb-Herrschaft seit 63 Jahren gelingen kann, Nordkorea vom Rest der Welt abzuschotten.

Die Staatsideologie wirkt absurd: So wird etwa Kim Il Sung, der das Regime 1948 mit Hilfe der Sowjetunion etablierte, noch immer als Präsident bezeichnet, obwohl er seit 17 Jahren tot ist. Sein Sohn und Enkel wurden nach ihm lediglich Generalsekretäre. Zur religiösen Verklärung der Herrscher gehört auch, ihnen Wunderleistungen, etwa Krankenheilungen, zuzuschreiben.

Werner Pfennig vom Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin beobachtet das Land seit Jahrzehnten, er sagt: „Wir finden diesen Personenkult teilweise komisch, albern und nicht glaubhaft. Aber diese Menschen haben keine anderen Informationsquellen. Für sie gibt es keine denkbare Alternative.“ Der Herrscher gelte als Idealtypus, der die Befindlichkeiten des ganzen Volkes kenne und in seinem Namen Entscheidungen treffe — oder wie Pfennig sagt: „Er schläft nicht, weiß alles, kann alles.“

Diese Fassade einzureißen, liegt aus Sicht des Forschers nicht unbedingt im Interesse der von Hunger und Armut geplagten Gesellschaft: „Die Menschen stehen Tag und Nacht unter Bewachung, sie wissen genau, was sie dürfen und was nicht.“

In der Freizeit fände eine Art Indoktrinationsunterricht statt, in dem etwa Ansprachen des „großen Führers“ auswendig gelernt würden. Hinzu komme die jahrzehntelang antrainierte Überzeugung, dass Nordkorea allein auf sich gestellt am besten bestehen könne — bedingt durch eine lange Geschichte der Kolonialisierung und Besatzung.

Dennoch ist es aus Sicht von Werner Pfennig längst nicht gesichert, dass das Regime auch jetzt weiter besteht. „Die Bevölkerung hatte 20 Jahre Zeit, sich an Kim Jong Il als den zukünftigen Herrscher zu gewöhnen. Kim Jong Un wurde erst vor zwei Jahren öffentlich vorgestellt“, sagt der Berliner.

Hinzu käme seine Unerfahrenheit. „Er ist von 70- bis 80-jährigen gestandenen Generälen umgeben. Er muss sich fragen, wie lange sie ihn unterstützen.“ Die erste Bewährungsprobe stünde im Frühsommer an. Im April jährt sich der 100. Geburtstag des übermächtigen Großvaters. „Spätestens danach wird das Essen wieder knapp, dann muss er sich behaupten.“

Von anderen Staaten fordert Pfennig eine Strategie der bedingungslosen Annäherung. Um eine vorsichtige Öffnung des Landes zu erreichen, sei jetzt der Zeitpunkt, um das Handelsembargo zu lockern und die Lebensmittellieferungen wieder aufzunehmen.

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