Analyse: Europa sucht den Chef-Außenpolitiker

Javier Solana will aufhören – das Rennen um seine Nachfolge hat längst begonnen.

Brüssel. Zehn Jahre war Javier Solana Madariaga der Chef-Außenpolitiker der Europäischen Union. "Ich will nicht mehr weitermachen", entschied der Spanier kurz vor dem 67. Geburtstag. Damit eröffnete der "Hohe Beauftragte für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" - so sein amtlicher Titel - offiziell den Wettbewerb um seine Nachfolge. Hinter den Kulissen hat er wohl schon längst begonnen: Viele illustre Politiker hoffen angeblich darauf, gefragt zu werden.

Wer in den kommenden fünf Jahren als Chefdiplomat der Außenpolitik der EU ein Gesicht gibt, dürfte allerdings noch eine Weile offen bleiben. Die Besetzung des Postens hängt nämlich - wie so vieles derzeit in der Europäischen Union - davon ab, ob der "Lissabon-Vertrag" tatsächlich bis zum Jahresende in Kraft treten kann. Also davon, ob die Iren bei einem zweiten Referendum zustimmen, ob die Deutschen das Begleitgesetz zu "Lissabon" noch in dieser Legislaturperiode im Eilverfahren hinbekommen und ob die EU-kritischen Präsidenten Polens und Tschechiens die Ratifizierungsgesetze unterschreiben.

Welcher Vertrag künftig gilt, hat einerseits Bedeutung für die künftige Machtfülle des Solana-Nachfolgers. Denn der "Lissabon-Vertrag" sieht den Aufbau eines eigenen diplomatischen Dienstes vor, der vom "Hohen Beauftragten" geleitet wird.

Der neue Mann - eine Frau taucht bisher in keiner Personalspekulation auf - würde auch ständiger Vorsitzender des EU-Außenministerrates sowie Vizepräsident der EU-Kommission werden.

Andererseits ist die Frage, ob "Lissabon" künftig gilt oder nicht, aus einem anderen Grund von großer Bedeutung. Mit dem neuen Vertrag würde auch der Posten eines EU-Ratspräsidenten geschaffen, der zweieinhalb Jahre lang Vorsitzender aller EU-Gipfelkonferenzen wäre und als eine Art höchster politischer Repräsentant der Union fungieren soll. Dies bedeutet, dass bei der Besetzung die Rechts-Links-Balance in der EU nicht gestört werden darf.

"Wichtig ist vor allem, dass hier ein hundertprozentiger Profi ausgesucht wird, der mit einem sehr großen Apparat umgehen kann", sagt ein EU-Diplomat. Vor allem müsse er sich gegen das Verlangen der Regierungen, nach wie vor möglichst selbst in allen außenpolitischen Fragen zu entscheiden, durchsetzen: "Das ist kein Job für schwache Nerven."

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