Analyse: Ein Jahr danach – die SPD nach Kurt Beck

Viele Genossen glaubten, mit einem neuen Chef würde alles besser. Doch das war ein Irrtum.

Berlin. Zwölf Monate ist es nun her, dass Kurt Beck entnervt den Vorsitz der SPD niederlegte. Doch inzwischen steht fest: Auch sein Amtsnachfolger Franz Müntefering konnte den Abwärtstrend nicht aufhalten. Beck bemerkte unlängst spitz, "ich kann mich nicht erinnern, dass wir damals bei 20 Prozent lagen". Mehr musste der Mann nicht sagen. Nichts ist vergessen. Nach dem 27. September wird man sehen. Die rheinland-pfälzische SPD hat mit Andrea Nahles eine Hoffnungsträgerin in der engeren Führung. Beck kann noch Königsmacher werden.

Dabei lässt sich doch erkennen, was mit Müntefering in die SPD einkehrte: Ruhe, ein Plan, ein strategisches Zentrum, eine enge Abstimmung mit dem Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier und aktuell eine Weichenstellung, für die Beck keine Autorität besaß. Die Rede ist von der Annäherung an die Linken. Es ist ein Prozess der Gewöhnung, den Müntefering nach den relativen Erfolgen im Saarland und in Thüringen gutheißt und forciert.

Ein ganz anderer Prozess geht mehr auf Beck und auf Steinmeier zurück: Der Riss im Verhältnis zu den Gewerkschaften wurde gekittet. Seit 2005 war es nicht mehr selbstverständlich, dass viele namhafte Gewerkschafter zur Wahl der SPD aufrufen wie jetzt die Konzernbetriebsratschefs vieler großer Unternehmen.

Ein Teil der SPD war vor einem Jahr ehrlich der Überzeugung, dass es mit Müntefering nur bergauf gehen konnte. Doch die 20,8 Prozent bei der Europawahl erwischten die Partei schwer. Seither sind die Sozialdemokraten um eine Illusion beraubt: Müntefering kann nicht übers Wasser gehen.

Für Steinmeier nahm damals ein höllisches Jahr seinen Anfang. Er, der Außenminister, wusste, dass er fortan stärker als SPD-Politiker agieren musste und unweigerlich in der Sympathie-Skala fallen würde. Die hohen Werte waren mehr dem Amt als dem Amtsinhaber geschuldet.

Müntefering hat Steinmeier bei der Abwrackprämie und beim Opel-Krisenmanagement gestützt. Der Parteichef ließ es auch zu, dass Steinmeier einen eigenen "Deutschlandplan" präsentierte, der das Programm der SPD in den Hintergrund drängte und so spät präsentiert wurde, dass die Partei nicht mitreden konnte.

Beim Wahlkampfteam und beim Umgang mit der Dienstwagen-Affäre hatte der Kandidat ebenfalls das letzte Wort. Seinem Temperament folgend hätte Müntefering wohl früher im Wahlkampf - und vor allem forscher - die Kanzlerin bedrängt. Aber die Überholspur überließ er allein Steinmeier.

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