Rumänen ärgern sich über Rüttgers Schelte

Bukarest (dpa) - Valentin Ilcas gibt sich zunächst höflich. „Dasist nicht nett“, sagt der Funktionär des Gewerkschaftsbunds „CartelAlfa“ zur Rumänen-Schelte aus dem fernen Düsseldorf.

Ilcas vertritt imsiebenbürgischen Klausenburg (Cluj) die rumänischen Nokia- Arbeiter.Doch dann schimpft er auf den nordrhein-westfälischenMinisterpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), der sich hier gerade sehrunbeliebt gemacht hat. „Rüttgers mag im Wahlkampf sein, aber sohanebüchene Lügen sind zu viel. Wie sind doch alle Bürger Europas, wirsollten nicht aufeinander herabschauen“.

Politische Reaktionen sind in Rumänien zu den Rüttgers-Äußerungenbisher ausgeblieben. Umso mehr ärgert sich der Gewerkschafter. Erkämpft seit Monaten für bessere Arbeitsbedingungen der derzeit 1800rumänischen Nokia-Angestellten. Zwölf Stunden dauert die Schicht. Nokiahat sie in diesem Frühjahr verlängert, vorher waren es acht Stunden -dies bestätigt auch Nokia. Der Grund: Nokia will Transportkostensparen, denn die Arbeiter werden mit Bussen aus zumeist entlegenenOrten nach Jucu gebracht, das zehn Kilometer nördlich von Cluj liegt.Dauert die Schicht länger, müssen die Busse seltener fahren.

Zur Erinnerung: Rüttgers hat den Arbeitern im von Bochum nach Jucuabgewanderten Nokia-Werk eine mangelhafte Arbeitsmoral unterstellt.„Und im Unterschied zu den Arbeitnehmern im Ruhrgebiet kommen die inRumänien nicht morgens um sieben zur ersten Schicht und bleiben bis zumSchluss da. Sondern sie kommen und gehen, wann sie wollen, und siewissen nicht was sie tun“, sagte er im Wahlkampf.

Die Realitität in Jucu sieht so aus: Die meisten Arbeiter müssenwährend der Arbeit an den Werkbänken stehen - Sitzgelegenheiten sindnicht vorgesehen. Dies erfordere der Arbeitsprozess, erklärt Nokiadazu. Bei einer Zwölf-Stunden-Schicht gibt es drei Pausen, die zusammeneine Stunde dauern. Dass die Nokia-Arbeiter, wie Rüttgers behauptet,kämen und gingen wie sie wollten, wirkt angesichts diesesausgeklügelten Arbeitsprogramms fern der Realität.

Morgens und abends sind auf den Landstraßen um Jucu dutzende Busse mit„Nokia“-Schildern unterwegs. Die Arbeiter steigen am Fabrikparkplatzaus und gehen schnell hinein. Niemand von ihnen mag mit der Pressereden, alle haben Angst, in diesem Fall den Job zu verlieren. Sieverlassen die Fabrik exakt am Ende der Schicht und steigen in dieNokia-Busse, ihrem einzigen Transportmittel für den Nachhauseweg. DerLohn für die Schufterei von morgens bis abends ist übrigens nicht sehrüppig: Bei Nokia in Jucu verdienen die Arbeiter im Durchschnittumgerechnet 250 Euro monatlich - das ist weniger als derDurchschnittslohn in Rumänien.

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