Analyse: Briten vor härtestem Sparkurs seit 60 Jahren

Das Land sei nur knapp an der Staatspleite vorbeigeschrammt, sagt die Regierung.

London. Die britische Regierung hat am Freitag den härtesten Sparplanseit mehr als 60 Jahren verkündet. Mit sofortigen und tiefenEinschnitten will Schatzkanzler George Osborne das Haushaltsdefizit vonumgerechnet 94 Milliarden Euro schon bis 2015 komplett ausgleichen. Diesoziale Landschaft werden die radikalen Maßnahmen allerdings über Jahrehinaus prägen.

Die Streichliste ist lang und bitter, jeglichen Hoffnungen aufKorrekturen hat Premier David Cameron eine Absage erteilt. Betroffen ist auch Deutschland: Großbritannien will seine Truppen schneller ausDeutschland abziehen als geplant. Zwölf Standorte der Rheinarmee gibt es noch in Deutschland, nun sollen sie spätestens im Jahr 2020 statt 2035geräumt sein.

Für die Briten ist das allerdings nur ein Nebenaspekt.Schwerwiegender ist für sie, dass die liberal-konservative Regierungallein im öffentlichen Dienst 490.000 Stellen abbauen will. Auch dasRentenalter wird auf 66 Jahre angehoben, was Frauen, die derzeit mit 60Jahren pensioniert werden, besonders trifft.

"Heute bringen wir dieVernunft zurück in die Staatsfinanzen", rief der Schatzkanzler untertumultartigen Szenen im Unterhaus, "wir müssen diese harten Einschnittetreffen, weil Labour uns den marodesten Nachlass der Neuzeit vererbthat." Großbritannien sei nur knapp an der Staatspleitevorbeigeschlittert.

Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bekommen den drastischenSparkurs besonders dramatisch zu spüren. Acht Milliarden Euro kürzen die Konservativen bei den Sozialleistungen. Darunter fällt auch einekontroverse Maßnahme, die derzeit bereits in Schottland getestet wird:Wer aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig ist, erhält in Zukunftunabhängig von ärztlichen Gutachten nur noch ein Jahr lang staatlicheZuschüsse, bevor er in die Sozialhilfe fällt. Diese beträgt zurzeitumgerechnet 74 Euro pro Woche.

Labour-Finanzexperte Alan Johnson prophezeit Großbritannien bereitseine "verlorene Dekade": Die Sparpläne gefährdeten den wirtschaftlichenAufschwung und seien "ein rücksichtsloses Spiel mit dem Leben derMenschen". Er kritisierte den Premier am Freitag im Unterhaus, nur in diePolitik gegangen zu sein, "um den Staat zu beschneiden".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort