Wuppertal feiert den Einzug ins Halbfinale

Was für eine Fußball-Nacht: Wuppertal hat gezittert, gebangt und dann seiner Freude freien Lauf gelassen. Ein Streifzug durch die Stadt.

Wuppertal. Ausnahmezustand in Wuppertal: Die B7 ist ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer, auf der Kreuzung Brausenwerth tanzen die Fans Polonaise, Menschen schwingen sich aus Autofenstern und Schiebedächern, links und rechts am Straßenrand schwenken Menschen Fahnen und winken den Autofahrern zu. Die bedanken sich mit einem dröhnenden Hupkonzert.

Deutschland ist mit dem hart erkämpften Sieg über Portugal ins Halbfinale eingezogen und in der ganzen Stadt entlädt sich am Donnerstagabend die Anspannung in einen Glücksrausch. Überall sind Menschen auf den Beinen, die aus Kneipen, Clubs strömen, die gemeinsam mit vielen anderen vor den Bildschirmen und Leinwänden mitgezittert haben und jetzt auch gemeinsam feiern möchten - auf Wuppertals Straßen.

Kurz vor dem Spiel gab Wuppertal ein ganz anderes Bild ab. Die Elberfelder Innenstadt war schon eine Stunde vor Anpfiff wie leer gefegt. Menschen mit schwarz-rot-goldenen Hüten, Trikots und Fahnen huschten eilig über die Straße. Ein Sieg der Deutschen? "Ich hoff's, aber ich bin mir nicht sicher", sagt eine junge Frau mit Gesichtsbemalung. "Portugal gewinnt 2:0", sagt ein 14-Jähriger.

Eine halbe Stunde vor Anpfiff wird aus dem Niesel- ein Platzregen. Vor dem Barmer Brauhaus verharren trotzdem tapfere Fußball-Fans in einer langen Schlange vor dem Eingang. Dort geht es weder vor noch zurück. Doch wohin sonst auf die Schnelle? Das Open-Air-Viewing auf der Hardt oder dem Wupperbeach scheint bei dem Wetter aussichtslos.

Doch zehn Minuten vor Spielbeginn klart der Himmel plötzlich auf. In der Villa Media trauen sich die ersten Gäste aus dem Innenraum mit den drei Riesen-Leinwänden in den Garten. Die Liegestühle sind vom Regen durchtränkt. Doch die Bierbänke stehen im Trockenen. Die Anspannung ist greifbar, mit Rasseln, Fangesängen und eifrigem Fahnenschwenken sprechen sich die Fans gegenseitig Mut zu. Nur der Mann in der Bratwurst-Bude bleibt cool: "Fußball ist mir wurscht."

Dann geht plötzlich alles ganz schnell. Auf einmal steht es 1:0, dann fällt Tor Nummer zwei - ein Befreiungsschlag für Miroslav Klose und die Wuppertaler Fans. Doch es bleibt spannend bis zum Schluss. Die Portugiesen holen auf, die deutsche Elf legt nach, dann kurz vor dem Apfiff ein Tor für die Portugiesen. 3:2. Jetzt läuft in der Villa Media die Zeit rückwärts. "Noch fünf Minuten plus Nachspielzeit", sagt einer. "Noch drei Minuten", schiebt ein anderer später nach. "Kommt Jungs, bewegt die müden Knochen", brüllt ein Fan von ganz hinten.

Und plötzlich ist es vorbei. Deutschland ist im Halbfinale. Das Wunder ist geschehen. "Ich habe gedacht, dass wir heute mit Würde verlieren", sagt eine Frau mit schwarz-rot-goldenem Irokesenschnitt. "Jetzt wird gefeiiiiiert!", brüllt es von hinten rechts. Die Masse tanzt auf den Tischen, fällt sich in die Arme und plötzlich gibt es nur noch eins zu tun: Ab ins Auto und auf die B7. 1500 Autos kommen laut Polizei ruck zuck zusammen. Sylvesterraketen und Böller krachen vereinzelt auf dieStraße oder steigen gen Himmel. Ab 22.50 ist die Kreuzung Brausenwerth blockiert. Erst eineinhalb Stunden und eine Kehrmaschine später wird die Straße wieder freigegeben. Deutschland ist im Halbfinale. Und Wuppertal feiert.

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