Jüchter: Auch Ältere sollten neugierig auf ihre Stadt sein

Der Ex-Kulturdezernent hebt hervor, wie viel Wuppertal schon jetzt zu bieten hat.

Jüchter: Auch Ältere sollten neugierig auf ihre Stadt sein
Foto: Uwe Schinkel

Wuppertal. Dieter Lübckes Gastbeitrag (WZ vom 5. Januar 2015) sorgt sich um die Zukunft unserer Stadt und fragt, „was uns nach vorn bringt“. Er bleibt dabei optimistisch, und das ist auch gut so. Es hat schon mehrere Versuche gegeben, Wuppertal „nach vorn“ zu bringen. Aber immer noch wird nach einer attraktiven „Melodie“ gesucht, um die Ziele der Stadtentwicklung zusammenzufassen — damit man weiß, was man erreichen will und wie wertvoll das ist, was man bereits hat.

Der Grundton dieser Melodie wird auch für Wuppertal durch Angebot und Qualität der Arbeitsplätze bestimmt. Aus dem frühen vorindustriellen Zentrum ist eine Arbeitswelt industrienaher Dienstleistungen geworden, vielfältig und raschem Wandel unterworfen. Hinzu kommt die soziale Qualität des Lebens: die Sorge um sozial Benachteiligte, ausreichende Armen- und Altenpflege, Gesundheitsversorgung. Hier ist Wuppertal sicher nicht besser ausgestattet als andere Städte, aber auch keineswegs schlechter.

Neue Farben & Klänge hat Wuppertal durch den gewachsenen Anteil von Ausländern und Migranten erhalten. Das sieht man im Straßenbild, das hört man in Veranstaltungen (viele Ensembles sind multinational gemischt), das schmeckt man in einer internationalen Gastronomie. Unsere Stadt klingt mehrstimmig und mehrfarbig — und die deutsche Bevölkerung sollte stolz darauf sein.

Dazu gehört aber, dass man mehr voneinander weiß, unterschiedliche Religionen versteht, Vorurteile abbaut, multikulturelle Freundschaften pflegt, gemeinsame Feste feiert, gemeinsame Projekte entwickelt. Wuppertal könnte das Muster einer „multikulturellen Stadt“ sein — nicht klammheimlich und notgedrungen, sondern offensiv.

Wir sollten gerne aktive Gastgeber für Menschen aus aller Welt sein. Auch für Wuppertal gilt: Je jünger die Menschen sind, desto offener sind sie für neue Impulse. Ältere Menschen dürfen sich diesen Vorsprung nicht gefallen lassen und sollten ebenfalls neugierig bleiben.

Ein besonderer Ton prägt seit langem die Melodie unserer Stadt: die Vielfalt und Qualität kultureller Angebote, vor allem in Musik, Kunst und Tanz. Jeder, der regelmäßig die Konzerte in unserer Stadthalle besucht, schwärmt vom Klang des Orchesters und vieler berühmter Solisten in einem der schönsten und akustisch wertvollsten Konzertsäle in Europa.

Auch daneben gibt es eine rege Musikpflege durch Musikschule und Musikhochschule, an kleineren Orten, durch viele Gruppen und Ensembles, durch eine seit Jahrzehnten berühmte Jazzszene, durch Rock und Pop.

Hinzu kommt ein gutes Musiktheater — das allerdings neuer Obhut bedarf — und ein leider räumlich und finanziell vernachlässigtes Sprechtheater. Hier muss man aufpassen: Ohne gutes Schauspiel ist die geistige Kultur einer Großstadt arm. Immerhin gibt es nach wie vor ein erstaunliches Angebot der freien Theaterszene, sie wächst sogar.

Gleiches gilt für einen weiteren kulturellen Schwerpunkt: Wuppertal ist auch nach dem Tod von Pina Bausch eine „Hauptstadt des Tanzens“: Neben dem weltberühmten Tanztheater (mit ungebremster Nachfrage aus aller Welt) sind viele kleine Gruppen entstanden. Die europäische Tangowelt trifft sich jährlich zum „Konzert & Ball Tango Argentino“ in der Stadthalle. Und im bislang stillgelegten Schauspielhaus soll in den nächsten Jahren das „Internationale Tanzzentrum Pina Bausch“ entstehen — die Politiker haben es versprochen.

Ein weiterer Klang der kulturellen Melodie Wuppertals wird durch das Von der Heydt-Museum geprägt, mit seiner wertvollen Kunst-Sammlung und überregional vielgelobten Ausstellungen. Hinzu kommen viele Plastiken auf Straßen und Plätzen und der wunderbare Skulpturenpark Tony Craggs am Südhang des Wuppertals.

Einen ganz anderen Grundton erhält die Melodie Wuppertals durch die „grüne Nähe“ der Stadt. Wuppertal wurde zur grünsten deutschen Großstadt erklärt und ist tatsächlich von schönen Hängen umkränzt und mit grünen Parks durchsetzt. Diese Oasen sind ganz unterschiedlich als „green spots“ inszeniert: Stadtparks wie die Hardt, die Barmer Anlagen und der Nordpark, dazu der wunderbare Zoologische Garten und der Skulpturenpark. Man kann entlang der Wupper flanieren, vom idyllischen Beyenburg bis zur Kohlfurth.

Wuppertal bietet manches, und manches einzig in der Welt: das „Flanieren mit Tieren“ im Zoo, das Radeln auf alten Trassen durch Stadt und Wald, ein langer Spaziergang mit alten Bäumen („Arboretum“ im Burgholz), stadt- und industriehistorische Spaziergänge durch Stadt und Region, mit viel Kultur garniert — und außerdem die Fahrt „auf halber Höhe“ mit unserer einmaligen Schwebebahn.

Zur Melodie der Stadt gehören schließlich gut sortierte Bildungsangebote: vom Kindergarten bis zur Universität, von der Junior-Uni bis zur VHS, vielgelobte Wohnviertel in alten Stadtquartieren und modernen Eigentumssiedlungen.

Eigentlich fehlt nur eines: Dass alle Wuppertalerinnen und Wuppertaler die vielen Strophen dieser Stadtmelodie auch immer wieder laut singen, regelmäßig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort