Echte Handarbeits-Klassiker: Burger Brezel aus Elberfeld

In der achten Generation „spinnt“ der Familienbetrieb die berühmte bergische Spezialität.

Wuppertal. Dort hätte man das Firmenschild "Burger Brezel und Zwieback-Fabrik" am wenigsten erwartet: mitten in Elberfeld, an der Durchfahrt zum tristen Hinterhof eines mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshauses. So wie sie zu Dutzenden die Wuppertaler Talachse säumen und schon bessere Zeiten gesehen haben.

Eine weitere Überraschung erlebt man in der "Fabrik", dem grauen Anbau dahinter. Von industrieller Herstellung - womöglich mit Fließband - keine Spur. Rüdiger Höstereys "Fabrikation" ist Handwerk im wahrsten Sinne des Wortes: Ein etwa 20 Zentimeter langes, nicht einmal fingerdickes Teigstück - fettarmer Hefeteig - "spinnt" der gelernte Konditor in der Luft so schnell, dass man seinen Händen kaum folgen kann. Sogar der "Schnakenstich", das vier- bis fünffach verdrehte Innenteil - das, was die Burger äußerlich von allen anderen Brezeln dieser Welt abhebt - gelingt ihm buchstäblich im Handumdrehen.

"Das Spinnen in der Luft habe ich mir bei einem Gesellen abgeschaut, der noch bei meinem Urgroßvater gelernt hat", erzählt der drahtige Mann in typischer Bäckerkluft stolz. In der Tat duftet es in der schlichten Backstube nicht nur fein süßlich nach Brezeln, Zwieback und Spekulatius, sondern auch nach Geschichte - rekordverdächtiger bergischer Familien- und Unternehmensgeschichte.

Denn bis zur Erfindung im Jahr 1795 kann Rüdiger Hösterey die Geschichte der Burger Brezel über acht Generationen zurückverfolgen. Demnach war ein verwundeter französischer Soldat zur Genesung beim Unterberger Bäcker Johann Peter Hösterey einquartiert. Da der Mann selbst das Backhandwerk beherrschte, zeigte er seinem bergischen Kollegen, was man außer Brot noch aus Teig machen konnte. "Herausgekommen ist die Burger Brezel", berichtet Rüdiger Hösterey. "Anfangs ein großes Geheimnis, an dem nur hinter verschlossenen Fensterläden gearbeitet werden durfte." Endlich auf dem Markt, stellte sich die Brezel als echte Sensation heraus.

Mit weitreichenden Folgen: Weil das Fachwerkhaus an der Münsteraner Straße angesichts der enormen Nachfrage zu klein wurde, entschieden sich die Höstereys 1848 zu expandieren. Aber nicht im beschaulichen Burg an der Wupper, sondern in Elberfeld, damals eine der fluktuierendsten Industriemetropolen Europas.

Sogar die preußischen Kaiser bedankten sich artig für ihre Brezeln. Dort ging die Erfolgsgeschichte weiter. Daniel Reinhard Hösterey (geboren 1851) konnte zur Jahrhundertwende einen repräsentativen Neubau an der Friedrich-Ebert-Straße (damals Königstraße) errichten lassen. Mit Pferdeställen und Quartier für die Gehilfen über der Backstube. "Zwei mussten immer in einem Bett schlafen", hat Rüdiger Hösterey erzählt bekommen.

Bis heute ist das Haus Wohn- und Arbeitsstätte der Großfamilie Hösterey. Ein Ordner voll vergilbter Dokumente belegt die Bedeutung der Brezelbäcker in früheren Zeiten. Unter anderem gibt es Briefe der Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II., die sich artig für Lieferungen bedanken.

Zeitsprung: "So reich wie der Daniel Reinhard damals kann man vom Brezelbacken heute nicht mehr werden", meint Rüdiger Hösterey. Trotzdem: Mit der geschäftlichen Entwicklung der letzten Jahren ist er sehr zufrieden. Selbst am Kiosk unter der Brücke gibt es Hösterey-Backwaren.

Erfolg ohne Computer, Internet und Marketingkonzept Auch mit 66 Jahren denkt Rüdiger Hösterey nicht ans Aufhören. Im Gegenteil: "Es macht immer noch Spaß". Die Vorzüge der Selbstständigkeit ("Ich stehe um vier Uhr auf, weil mir das liegt, nicht weil ich muss.") kennt er ebenso wie die Nachteile: "Als ich nach einer OP vier Wochen ausgefallen bin, war hier die Hölle los."

Wert legt er auf ein besonderes Frühstück: Dazu gehören Mettwürste (Zwiebelbeißer), Erfrischungshäppchen, Dominosteine und Weintrauben. Neben seiner Frau Sabine, hauptberuflich Pharmazeutisch-Technische Angestellte in einer Apotheke, helfen ihm eine 400-Euro-Kraft und Bruder Reinhard-Wilhelm, der 2003 gesundheitsbedingt als Mitinhaber ausscheiden musste.

"Der letzte macht die Türe zu", stellt Rüdiger Hösterey mit leicht zynischem Unterton fest. Wohl wissend, dass Sohn Markus das Unternehmen nicht weiterführen wird. Der lebt in den USA und arbeitet als Flugbegleiter. Einen PC besitzt der Konditor ebenso wenig wie ein Internetangebot oder ein Marketingkonzept. "Was wir machen, ist doch ein Selbstläufer."

Eine Anfrage des berühmten Süßwarenherstellers Riegelein (Nürnberg) lehnte er ab. Dafür schickt er treuen Kunden schon mal ein Päckchen an die Nordsee oder verkauft "für den Eigenbedarf" an der Backstuben.

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