Zur Cannabis-Zucht gezwungen?

Nach dem Auffliegen einer als Straußenfarm getarnten Drogenplantage, steht jetzt auch der Bruder des Angeklagten vor Gericht. Er will nicht aus Habgier gehandelt, sondern um sein Leben gefürchtet haben.

Zur Cannabis-Zucht gezwungen?
Foto: dpa

Gennebreck. Der spektakuläre Cannabisanbau auf einer getarnten Straußenfarm am Huxel, bei dem 2013 acht unterirdische Seecontainer mit 20 Kilo Marihuana entdeckt worden waren, schlägt auch fünf Jahre später noch hohe Wellen und hat nun auch den Bruder des Plantagenbesitzers auf die Anklagebank des Hattinger Amtsgerichts gebracht.

Während der Gennebrecker Haupttäter zu gut fünf Jahren Haft verurteilt worden war und noch etwa ein Jahr in der JVA Bochum absitzen muss, ist nun auch der jüngere Bruder ins Visier der Ermittler geraten und soll beim Cannabisanbau Hilfe geleistet haben. Der 38-jährige, labil wirkende Hagener gestand dies schließlich auch, gab jedoch voller Demut zu Protokoll, nicht aus Profitgier heraus gehandelt zu haben, sondern massiv unter Druck gesetzt worden zu sein.

So habe ihn sein zwei Jahre älterer Bruder erstmals nach dem Tod der Mutter im Sommer 2013 in Hagen besucht und ihm Arbeit angeboten. „Ich wollte ihm einfach eine zweite Chance geben und bin darauf eingegangen“, erklärte der schon damals arbeitslose Angeklagte und ergänzte, in der Vergangenheit von ihm viele Male „grün und blau geschlagen“ worden zu sein. „Worum es genau bei der Arbeit ging, wusste ich nicht. Er hat mir nur gesagt, dass es sich um Gartenlandschaftsarbeiten handelt“, beteuerte der Beschuldigte. So sei er zunächst einige Wochen lang gegen zehn Euro am Tag für Instandhaltungsarbeiten auf der Straußenfarm eingesetzt worden, bis der Bruder ihn eines Tages in den deutlich lukrativeren Untergrund führte und nun auch hier Pflegearbeiten von ihm verlangte. „Als ich das gesehen hab, hab ich sofort Abstand davon genommen. Ich wollte damit nichts zu tun haben und war enttäuscht von meinem Bruder, dass er mich nur ausnutzt.“

Doch der Bruder gab sich mit dieser Ablehnung nicht zufrieden. „Er war bei mir zuhause und hat mich eingeschüchtert. Ich war da in einer Zwickmühle, weil ich den Kontakt aufrecht erhalten wollte“, sprach der Angeklagte von psychologischer Kriegsführung. Einen guten Monat lang kümmerte sich der Alkoholkranke daraufhin um die Cannabispflanzen, indem er jede Pflanze zweimal täglich wässerte. Geld habe er dafür allerdings „nur ganz unregelmäßig zugesteckt bekommen“. Als er erneut aussteigen wollte, sei er massiv bedroht worden. „Wenn Du was verrätst, tüt’ ich Dich ein“, soll der Bruder gesagt und dazu mit einem blauen Entsorgungssack zu ihm gekommen sein. „Ich hab mich daraufhin komplett abgeschottet, bis er sich irgendwann nicht mehr gemeldet hat“, berichtete der Angeklagte und hofft nun „ihn nie wiedersehen zu müssen“.

Aus Vertrieb und Geschäftssachen habe sich er sich indes grundsätzlich herausgehalten und sei während der Arbeit stets alleine gewesen. Bei der Ernte habe er gar nicht geholfen. „Der hatte nicht viel Ahnung und ist komplett von seinem Bruder ausgenutzt worden“, erklärte ein als Zeuge geladener Geschäftspartner. Als „grausam“ und „von Angst geprägt“ bezeichnete er die Beziehung und ergänzte, dass sogar davon die Rede gewesen sei, seinen Bruder ermorden zu wollen. „Den wird keiner vermissen“, soll er gesagt haben.

Der Drogenhändler selbst, der inzwischen aus dem Gefängnis heraus ein Jura-Fernstudium begonnen hat und sich als Justizopfer sieht, verweigerte die Zeugenaussage. Ein Urteil wurde noch nicht gesprochen, weil noch ein Gutachten fehlt. Nun soll in zwei Wochen entschieden werden, wobei aufgrund der besonderen Umstände von einer milden Strafe auszugehen ist. cw

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