Dormagens Handball versinkt im Finanzchaos

Erstligist leidet an einer großen Finanzlücke – und sieht die Probleme in der Vergangenheit.

Dormagen/Kiel. Die Anspielungen aus seiner alten Heimat machen Ulrich Derad "sprachlos". Kaum hat sich der Handball-Manager beim deutschen Serienmeister THW Kiel als neuer Geschäftsführer Sport und Nachfolger von Uwe Schwenker etabliert, weht ihm der Wind aus seiner Vergangenheit ins Gesicht: Der TSV Dormagen, Derads Ex-Verein, muss mit einer scheinbar nicht unerheblichen Finanzlücke umgehen - und gibt dem ehemaligen Geschäftsführer indirekt eine Teilschuld an dieser Situation.

Man könne davon ausgehen, dass die aktuellen Dinge nicht in den letzten zwei oder drei Monaten passiert seien, hat der kommissarische Dormagener Vorstand Karl-Josef Ellrich unlängst gesagt - und sich damit auf Vorgänge bezogen, die in die Amtszeit von Derad gefallen sind. Von 1,8 bis 2,5 Millionen Euro Schulden war in verschiedenen Medien die Rede, bestätigen will das niemand.

Es gebe eine Finanzlücke, gibt Ellrich zu, der genaue Schiefstand werde derzeit noch immer ermittelt, heißt es aus dem Verein. Und Derad kann das alles nicht glauben. "Ich kann nur über die Zeit bis zum 30. Juni sprechen. Wir haben die Lizenz erhalten, es gab die Probleme in dieser Form nicht." Ohnehin werde in der ganzen Angelegenheit nicht deutlich, wo die Lücken auftreten: "Geht es um den Verein, oder geht es um die Handballer?", sagt Derad und rechnet vor: "Dass ein Verein, der Hallenbad und Turnhallen betreibt, durch Investitionen Verbindlichkeiten aufweist, ist normal."

Und dass die Handballer sich immer strecken mussten, sei auch jedem bekannt. Aber eben nicht in diesem Ausmaß. Und außerdem: "Es gab und gibt ja auch einen Geschäftsführenden Vorstand, der Entscheidungen abgesegnet und protokolliert hat", sagt Derad. Schon zu Derads Zeiten in Dormagen sei Ellrich Beisitzer gewesen. Kontakt in die alte Heimat, sagt Derad, gebe es nicht. "Meine Nummer ist bekannt", sagt er.

Der Fall in Dormagen gestaltet sich in der Tat kompliziert: Anders als andernorts üblich, ist der Handball-Erstligist TSV Dormagen nicht in einer GmbH aus dem Gesamtverein ausgegliedert. So wird der TSV Bayer Dormagen mitsamt seiner 5000 Mitglieder in die Bredouille geraten, wenn die Finanzlücke nicht geschlossen werden kann - weil er haften muss. Die Hoffnung liegt auf der Bayer AG, die im Verein seit Jahren nicht mehr den Leistungshandball, wohl aber den Breitensport unterstützt.

Ellrich, der dem aus "persönlichen Gründen" am 11.September dieses Jahres zurückgetretenen Vorsitzenden Bertram Anders nachgefolgt ist, ist Vorsitzender des Betriebsrates bei Bayer in Dormagen, dürfte die entsprechenden Kontakte haben. Und doch: Es ist kaum anzunehmen, dass der Konzern Lücken der Handballer schließt, die er nicht mehr unterstützen wollte - weil er sich auf Fußball und Breitensport konzentriert hat.

Am Montag feierte Ellrich seinen 60. Geburtstag. Gerade erst hat er der Handball-Bundesliga (HBL) den geforderten "aktualisierten Finanzstatus" geliefert. Dormagen will die Saison zu Ende spielen, Ellrich hat das angekündigt. Sportlich wird es für den Tabellenletzten ohnehin schwierig, über die Spielzeit hinaus Erstliga-Handball zu erhalten. Wirtschaftlich wohl noch ein bisschen schwieriger.

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