Der Streit um die Zivis

Nicht überall würde eine Verkürzung der Dienstzeit auf sechs Monate als untragbar gesehen.

Mönchengladbach. Selten standen Zivildienstleistende so häufig im Fokus gesellschaftlicher Debatten wie derzeit. Auslöser sind die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, die Wehrpflicht - und damit auch den Zivildienst - von neun auf sechs Monate zu verkürzen.

Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband war dieser Vorstoß Grund genug, den "Anfang vom Ende des Zivildienstes" zu konstatieren. Der Tenor, der die Diskussion prägt: Angesichts einer solch kurzen Zeitspanne würde es sich für Sozialverbände nicht mehr lohnen, die Kriegsdienstverweigerer überhaupt einzustellen.

Zu lang sei gewöhnlich die Phase, die Zivis zum Einarbeiten und Ausbilden benötigten. Da bleibe bei einem verkürzten Dienst kaum noch Zeit, um sie als leistungsfähige Hilfskräfte einzusetzen.

Eine Umfrage der WZ zeigt, dass Verbände in Mönchengladbach diese Ansicht nicht immer teilen.

Ob es Sinn hat, einen Zivi nur sechs Monate Dienst schieben zu lassen, hängt in großem Maße von seinem Tätigkeitsfeld ab. Bei mobilen sozialen Hilfsdiensten, wie sie beispielsweise die Arbeiterwohlfahrt für alte Menschen anbietet, ist auch ein verkürzter Dienst immer noch wünschenswert und produktiv.

"Unsere Zivis sind nach wenigen Wochen bestens eingearbeitet. Längere Schulungen sind nicht nötig", sagt Uwe Bohlen, Geschäftsführer der Gladbacher Awo. Eine Verkürzung wäre für den Verband "nicht so schlimm". Die Zivildienstleistenden der Awo, die größtenteils Essen für Senioren ausfahren oder Medikamente besorgen, bestätigen diese Ansicht. Michael Comanns (19) etwa sagt, mit ihrem Engagement könnten Zivis auch innerhalb von sechs Monaten wertvolle Arbeit leisten - zumal man "sehr schnell eingelernt sei".

Einziges Problem sei, dass es schwieriger würde, auf Zivis im Frühjahr zurückzugreifen, sagt Bohlen. Der Grund: Gewöhnlich beginnen Zivis ihren Dienst nach Schulabschluss im Sommer. Im Frühling des darauffolgenden Jahres ist nach derzeitiger Reglung Schluss - nach neun Monaten Anstellung.

Dann klafft eine Lücke von drei Monaten, in der kaum Zivis im Einsatz sind - ehe im Sommer wieder neue junge Männer unter den Schulabgängern sind. Durch einen halbjährigen Zivildienst wird das Zeitfenster, in dem Personalknappheit herrscht, noch größer.

Auch bei der evangelischen Stiftung Hephata ertönt kein Aufschrei des Entsetzens auf Grund der Überlegungen aus der Regierungskoalition. Die Verkürzung der Dienstzeit würde "uns nicht hart treffen", sagt Pressesprecher Dieter Kalesse. Die Arbeit der Zivis, etwa das Betreuen von Behinderten in Werkstätten, sei zwar eine "ganz wichtige Unterstützung".

Gleichwohl bauen die Hephata-Angebote nicht zwingend auf ihrer Leistung auf. Soll heißen - auch wenn Kalesse das nicht ausspricht: Im allerschlimmsten Fall könnte Hephata auf Zivis verzichten.Unter 1900 Mitarbeitern sind lediglich 60 Zivis.

Für Rettungsdienste hätte die Verkürzung dagegen erhebliche Einschnitte zur Folge. Holger Lenssen, Dienststellenleiter der Johanniter-Unfallhilfe, sagt: "Bei einem sechsmonatigen Dienst hätten unsere Männer nur noch eine effektive Einsatzzeit von drei bis vier Monaten." Da würde sich tatsächlich die Frage stellen, ob es noch Sinn hat, Zivis anzuheuern.

Bei den Johannitern, die vier Zivis beschäftigen, wird anfangs eine vierwöchige Ausbildung absolviert. Das anschließende Einarbeiten dauert ebenfalls. Schließlich handelt es sich um eine anspruchsvolle Tätigkeit: Die Zivis sind als Rettungshelfer tätig, begleiten Rettungswagen und sind vor Ort, wenn es um Leben und Tod geht.

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