Neersen: Festspiele - Hoppenstedt von nebenan

Amüsante „Dramatische Werke“ von Loriot begeisterten die Premierengäste.

Neersen. Um die Frage gleich vorweg zu beantworten: Ja, es geht! Und es geht sogar sehr gut! Die berühmten Sketche von Loriot funktionieren auch auf der großen Freilichtbühne.

Das können die Besucher der Premiere von "Loriots dramatische Werke" bestätigen. Denn die kamen aus dem Lachen zeitweise nicht mehr raus.

In schweren Zeiten wollen die Leute Leichtes sehen: Vor diesem Hintergrund hatte Intendantin Astrid Jacob nach einem nachdenklichen "Nathan" im Vorjahr diesmal Hintergründiges aus dem Schatzkästlein des Loriotschen Humors zusammengestellt.

"Der Mitmensch", "Ehe und Familie", "Politik" und "Fernsehen" bilden die Zielscheibe seiner treffsicheren, oft bitterbösen Pointen. Das Verblüffende: Auch wenn die "aktuellen" Bezüge schon mehr als 30 Jahre alt sind (oder wissen Sie noch, wann der Innenminister Baum hieß?), funktioniert die Komik.

Denn Hand aufs Herz: Eine Familie Hoppenstedt hat doch jeder gleich nebenan. Und den Streit ums Frühstücksei kennt man aus eigenem Erleben.

Sprachlich bleibt die Aufführung ganz werkgetreu. Nur kleine rheinische Variationen des humoristischen "Klassikers" hat Astrid Jacob vorgenommen.

So beim Streit um besagtes Ei, wo die in die Enge getriebene Hausfrau behauptet, dass sie es im "Jeföhl" hat, wann viereinhalb Minuten rum sind - und der Ehemann kontert: "Vielleischt schtimmt da mit deinem Je-föhl wat nich." Claudia Felix (Schiefbahn) und Manuel Struffolino (Köln) fühlen sich in den Rollen ganz daheim.

Überhaupt, die Schauspieler: Gegen die "Bilder im Kopf" anzuspielen, die fast jeder von den Original-Sketchen mit Loriot, Evelyn Hamann und knollennasigen Männlein hat, ist nicht einfach.

Doch die Neersener Akteure sind der Herausforderung gewachsen, sie zelebrieren genüsslich jede Pointe. Ob nun beim Streit um den "Kosakenzipfel", bei Diskussionen in der Badewanne, erotischen Verstrickungen zwischen Chef und Sekretärin oder den Vorbereitungen auf das Jodeldilpom ("Hollero du dödel die").

Bei Letzterem weiß Hartmut Scheyhing sogar mit echten Jodelkenntnissen zu überzeugen.

Variationen gibt es beim Tempo. Besonders gelungen der Sketch, in dem Hermann (stark: Markus Rührer) seine Ruhe im Sessel sucht und die emsig Fenster putzende Gattin (ebenso stark: Susanne Flury) ständig dazwischen redet.

Da stimmt jede Pause, sitzt jede Geste, jede Mienespiel. Dass dies auch anders sein kann, beweist die Politikerrede im (schwächeren) zweiten Teil der Inszenierung: Da sind die Sprech-Pausen zu lang, der Witz über das übliche Geschwafel verpufft.

Geschickt hat Astrid Jacob die sparsam ausgestatteten Szenen mit Musik verknüpft, die vom "Hummelflug" bis zu Hildegard Knef ("Sei mal verliebt") reicht.

Ebenso wunderbar eignen sich die Kochrezepte als verknüpfendes und zugleich ganz eigenes Element: Mit "Nilpferd in Burgunder" scheint Loriot bereits vor Jahrzehnten den Kochshow-Boom im Fernsehen voraus geahnt und gnadenlos auf die Schippe genommen zu haben.

Insgesamt ein rundherum vergnüglicher Abend. Nur an einer Stelle war das Publikum nicht begeistert. Als nämlich Lottogewinner Erwin Lindemann traurig die Bühne verlassen hatte und dann gar nichts mehr passierte. Bis sich allmählich die bedauernde Erkenntnis breit machte: "Ist etwa schon Schluss?"

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