Ernie Watts: Jazz-Diamant mit Zwischentönen

Ernie Watts begeisterte mit seinem Quartett im Campus.

Kempen. Der großartige Ernie Watts gastierte am Dienstagabend im Campus „im Land der Weihnachtsmärkte“, wie es der Jazzsaxophonist formulierte. Diese treffende Beobachtungs- und Auffassungsgabe spiegelt sich in seiner Spielweise wider. Immer wieder setzt Watts — egal ob bei Eigenkompositionen, Interpretation oder Adaption — kleine, wohl aber klare Zeichen. Es sind die Zwischentöne, die sein Spiel überragend machen.

Ernest James Watts, wie der US-amerikanische Saxophonist und Flötist bürgerlich heißt, vermochte die Bandbreite seiner musikalischen Ausflüge, Gastspiele und Erfahrungen klar auf die Kempener Bühne zu projizieren.

Diese Vielseitigkeit ist einzigartig — und lässt den Zuschauer nicht nur den geschliffenen Jazz-Diamant betrachten, sondern ebenfalls darin feine Einflüsse aus Rock, Pop und Blues ausmachen.

Der 1945 in Norfolk/Virginia geborene Watts wirkte an über 500 Produktionen mit, nahm bislang 18 Alben unter eigenem Namen auf. Zudem stand er unter anderem mit Frank Zappa, Miles Davis und den Rolling Stones auf der Bühne.

Ein Musiker dieser Größe darf sich da ruhigen Gewissens den Luxus erlauben, zusätzlich zu seinem amerikanischen Quartett ein zweites mit deutscher Beteiligung zu unterhalten. Dies ist seit über 15 Jahren der Fall.

Mit Christoph Sänger (Klavier), Rudi Engel (Bass) und Heinrich Köbberling (Schlagzeug) ist das „deutsche“ Quartett erstklassig besetzt, was auch Watts zu würdigen weiß. Bei annähernd jedem Solo seiner Kollegen tritt er zur Seite, fast schon schüchtern, horcht und nickt zustimmend.

Watts bringt Farbe ins November-Grau, sticht vor allem bei Coltrane- und anderen Klassikern, die ihn beeinflussten, golden strahlend hervor. Doch auch ein Ernie Watts wird alt: Gegen Ende des Konzerts greift er sich mehrmals an den wohl schmerzenden Rücken. Die einzige Zugabe entlässt wohlig in die tiefe Nacht.

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