Heiligabend in Ratingen Die Krippe als leuchtender Blickfang

Ratingen · Zum zweiten Mal in Folge bestimmen die Coronaregeln die weihnachtlichen Gottsdienste. Die Friedenskirche zieht deshalb durch den Stadtteil, um die Menschen zu erreichen. Und dann kommen die letzten Figuren in die Krippe.

 Die Weihnachtsinstallation an der evangelischen Friedenskirche in Ratingen Ost ist ein leuchtender Blickfang.

Die Weihnachtsinstallation an der evangelischen Friedenskirche in Ratingen Ost ist ein leuchtender Blickfang.

Foto: Achim Blazy (abz)

„Da waren wir wohl zu voreilig“, sagt Pfarrer Thomas Gerhold in Erinnerung an den von Wagenbaukünstler Jacques Tilly im vergangenen Jahr gefertigten Anhänger, mit dem er am Heiligen Abend durch seine Gemeinde zog, um die Menschen trotz Corona-Pandemie zu erreichen. „Wir haben gedacht, dass wir den Wagen nie wieder brauchen“, so Gerhold. Der kommt nämlich zu ganz besonderen Ehren: „Der Wagen war in Ratingen noch gar nicht eingetroffen, da erhielten wir eine Anfrage vom Haus der Geschichte.“ Gerhold sagte zu, und so trat das einzigartige Gefährt nach den Feiertagen seine Reise ins Museum an. „Der Wagen war weg, Corona blieb“, resümiert Gerhold. Also musste eine neue Idee her.

„Es hat uns sehr beeindruckt, dass das, was draußen passiert, so viel mehr Menschen erreicht“, so der Pfarrer. Viele Türen und Fenster hatten sich entlang der Tour durch den Ratinger Osten geöffnet. Menschen, die vermutlich kaum zum Gottesdienst in die Kirche gekommen wären, gesellten sich zu der Gesellschaft dazu. Also stand schnell fest: Auch in diesem Jahr sollen die Gottesdienste unter freiem Himmel gefeiert werden.

Die Krippe ist wie ein Leporello oder Faltbuch aufgebaut

 Diplom-Designer Michael Swottke (rechts) und Pfarrer Thomas Gerhold bei den Vorbereitungen für die Krippe, die rund um die Uhr zu sehen ist.

Diplom-Designer Michael Swottke (rechts) und Pfarrer Thomas Gerhold bei den Vorbereitungen für die Krippe, die rund um die Uhr zu sehen ist.

Foto: Achim Blazy (abz)

Diplom-Designer Michael Swottke, der Gemeinde seit vielen Jahren verbunden, hatte schließlich die Idee, eine riesige Krippe zu bauen. „Sie ist aufgebaut wie ein Leporello (ein Faltbuch)“, erklärt Swottke. Die fast lebensgroßen Figuren werden so auf zuvor ausgeschnittenen Holzplatten befestigt, dass es aussieht, „als würden sie ins Leben treten“.

Swottke überließ nichts dem Zufall. Als Grundmaterial wählte der gelernte Zimmermann Holz: „Das ist recht einfach zu bearbeiten.“ Fertigkeiten wie Zeichnen, Sägen und Aquarellieren brachte Swottke aus seiner beruflichen Laufbahn mit. Trotzdem gab es einige Herausforderungen. „Die Teile sollen ja elegant ineinanderpassen“, lautete der Anspruch.

Swottke machte ab Anfang November einen Teil der Kirche zur Schreinerei. „Ein schönes Arbeiten“, sagt er. „Eine ganz besondere Atmosphäre, hier ist immer Leben, und ab und zu steckte mal jemand neugierig den Kopf durch die Tür.“ Auch Pfarrer Gerhold konnte sich mit den ungewohnten Aktivitäten in seiner Kirche gut anfreunden. „Es roch angenehm nach frischem Holz, es war einfach lebendig.“ Und irgendwie passt die Tätigkeit eines Zimmermanns ja auch zur Weihnachtsgeschichte.

Dass das ganze Projekt schiefgehen würde, kam den Protagonisten nicht in den Sinn, auch wenn der Zeitplan recht straff war. Swottke hatte im Jahr 2008 bereits einen Abendmahlstisch mit 13 Stühlen für die Gemeinde entworfen, der bis heute bewundernde Blicke auf sich zieht. Er erntete für seine Designs bereits mehrere Auszeichnungen.

Die Ratinger können in der Adventszeit eine rund zehn Meter lange Krippe auf dem Platz vor der Friedenskirche entdecken. „Sie hat eine Durchgangshöhe von 2,10 Metern“, so Swottke. „Kinder und Eltern gingen den gesamten Advent über durch den Stall in die Kita“, beschreibt Gerhold das Konstrukt.

Das komme bei den Kindern gut an. Und noch etwas beobachtet Gerhold: „Die Krippe zieht immer wieder Menschen von der Straße an.“ Sie besehen sich das Kunstwerk genauer, halten es in Fotos und Selfies fest.

An jedem Adventssonntag wurden weitere Figuren an den goldenen Wänden befestigt. Gold in Anlehnung an die Ikonografie steht für Licht. Die Figuren heben sich in Blau von den Wänden ab. „Blau als die Farbe der Transzendenz, des Himmels und der Nacht“, erklärt Gerhold.

Das Besondere: Alle Figuren mussten quasi in einem Rutsch koloriert werden, damit sie am Ende denselben Farbton und eine ähnliche Aquarellierung haben. Durch eine indirekte Beleuchtung erhält die Krippe einen geheimnisvollen Schimmer.

Am Heiligabend wird das Werk durch den Stall, Maria, Josef und das Jesuskind vervollständigt. Diese Elemente gehen zunächst auf eine Reise durch den Stadtteil. An drei Stationen wird unter freiem Himmel Gottesdienst gefeiert, bevor sie am Ende vor der Friedenskirche die Krippe vervollständigen.

Ein paar Tage wird das neue Kunstwerk noch stehen bleiben. „Sie ist rund um die Uhr zu besichtigen“, so Pastor Gerhold, der natürlich hofft, dass auch die Gottesdienste gut besucht werden. „Eine Anmeldung ist nicht erforderlich“, sagt er. „Einfach vorbeikommen und eine Maske mitbringen.“

Die Besucher der Gottesdienste können das Unikat in kleinem Maßstab übrigens mit nach Hause nehmen. Jeder Gast erhält einen Bastelbogen, aus dem er die Krippe anschließend für den Hausgebrauch ausschneiden kann.

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