Künstler- und Büchermarkt

Auf dem Künstler- und Büchermarkt wurde gekauft und gefachsimpelt.

Hilden. Flehend recken sich die Arme der Bronzestatue in den bewölkten Himmel. Der Mund ist in einem stummen Schrei aufgerissen, die Augen dunkel und groß. „Sie weint“, sagt der zwölfjährige Thore. „Sie betet für einen lieben Menschen“, entgegnet seine 16-jährige Schwester Maja. Und Vater Klaus Becker murmelt: „Sie hat die Bilder nebenan gesehen und trauert jetzt um den Begriff Kunst“. „Banause“, schimpft Maja.

Solche und ähnliche Gespräche gibt es überall am Wochenende auf dem 12. Hildener Kunst- und Büchermarkt des Stadtmarketings auf der Mittelstraße und auf dem Warrington-Platz. So durchwachsen wie das Wetter war auch das Programm der einzelnen Stände: Von Sonne über Regen bis hin zu Gewitter war sowohl am Himmel als auch am Boden von allem etwas dabei.

Auch wenn man über Geschmack nicht streiten soll; so bildet die Kunst auf dem Markt in Hilden die große Ausnahme: Dort ist hitziges Diskutieren nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. „Kunst berührt uns, sie macht nachdenklich und vermittelt Botschaften an das Unterbewusstsein“, sagt zum Beispiel Mona Sänger.

Die Besucherin bevorzugt abstrakte Gemälde, die eine verzerrte Wirklichkeit zeigen: Verfremdete Menschen, verzogene Perspektiven, übersteigerte Abbildungen. „Aber: Was ist Realität?“ fabuliert Mona Sänger. „Wir können immer nur das erkennen, was unsere Sinne uns vermitteln — und das ist für jeden eine andere Realität. Abstrakte Kunst lässt uns neu sehen, lässt uns Aspekte erkennen, die uns sonst nicht auffallen würden, weil wir durch die Abstraktion mit der Nase darauf gestoßen werden.“

Viele Besucher können allerdings mit Abstraktion nicht viel anfangen. „Ist das Kunst oder kann das weg“, fragt sich so mancher im Angesicht von zusammengeklebten Plastikresten und bewunderte stattdessen die fotorealistischen Arbeiten anderer Künstler. „Das ist Kunst“, sagt Sonja Svetlenkowa. „Guck dir den Wald an: wie auf einem Foto.“ „Und wo bleibt da der Raum für Fantasie?“ kontert Mona Sänger.

Es wird wohl keinen Konsens geben zwischen den Anhängern abstrakter und klassischer Malerei — aber sie respektieren sich gegenseitig. Auffällig ist: Fast alle Künstler halten an bestimmten Stilrichtungen fest, es gibt wenige, die ganz neue, eigene Wege gingen. Einer davon ist Wolfgang Schinkel. Der Diplom-Grafiker bemalt alte Backsteine mit Pop-Art-Motiven und sorgt damit für einige Aufmerksamkeit. „Ich mache das seit fast 20 Jahren“, erzählt er. „Irgendwann hatte ich die Idee, als ich diese alten Steine sah, die Struktur, die Oberfläche, teilweise die Patina. Ich dachte mir: Mensch, die liegen da jetzt schon seit Jahrzehnten und haben eine eigene Geschichte. Eigentlich müsste man damit etwas plakatives machen, die Geschichte komplett anders fortsetzen.“

Die bunt bemalten Steine werden gerne als Buchstützen oder einfach als Schmuckstücke fürs heimische Regal gekauft — so schmücken sie das Innere von Häusern, nachdem sie vorher Teil des Äußeren waren.

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