Brückentag Diese Brücke ist ein Denkmal

Hilden. · Wie ein typisches Denkmal wirkt die 1935 gebaute Brücke der Autobahn 3 jedoch nicht.

 Die A 3-Brücke an der Elberfelder Straße ist eine der ersten vollständig geweißten Stahlbrücken Deutschlands.

Die A 3-Brücke an der Elberfelder Straße ist eine der ersten vollständig geweißten Stahlbrücken Deutschlands.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Stahl ist neben Beton der bevorzugte Baustoff der Moderne. Mit seinen Eigenschaften verschaffte er Konstrukteuren und Architekten ganz neue technische und gestalterische Möglichkeiten. Die erste vollständig aus Stahl erbaute Brücke in Deutschland war die von 1891 bis 1893 gebaute große Eisenbahnbrücke über die Weichsel bei Fordon (heute Rudolf-Modrzejewski-Brücke in Bydgoszcz), weiß das Internet-Lexikon Wikipedia. Was mit diesem Baustoff möglich war, zeigt eindrucksvoll die Müngstener Brücke (1897) in Solingen. Mit einer Stützweite von 170 Metern setzte diese vielbeachtete  Eisenbahn-Bogenbrücke Maßstäbe in ganz Deutschland und Europa. Entworfen hat sie Anton von Rieppel. Auch nach mehr als 100 Jahren zählt Deuschlands höchste Eisenbahnbrücke immer noch zu den beeindruckendsten Beispielen deutscher Ingenieurskunst.

Weil sie geschweißt wurde, ist
die Brücke etwas Besonderes

Bei der Müngstener Brücke werden die Stahlträger mit Nieten zusammengehalten. Die Autobahnbrücke über die Elberfelder Straße in Hilden ist geschweißt. Genau das macht sie zu einem Denkmal, sagt das Rheinische Amt für Denkmalpflege in seinem Gutachten. Weil die Schweißtechnik bei großen Stahlbauvorhaben zu der damaligen Zeit fast noch im Experimentierstadium befand.

Die ersten geschweißten Brücken entstanden 1928: eine kurze Eisenbahnbrücke zum Werk von Westinghouse Electric im Ort Turtle Creek, Pennsylvania und die Maurzyce-Brücke, eine 27 Meter lange Straßenbrücke in Polen. Die erste, vollständig geschweißte Stahbrücke Deutschlands wurde 1928/29 in Lowitez im Zuge der Straße Berlin - Warschau errichtet. Dieses Jahr 1929 gilt als das Jahr der offiziellen Einführung der Schweißtechnik im deutschen Hochbau, so das Rheinische Amt für Denkmalpflege. Ab 1931 sei die Reichsbahn dazu übergangenen, zahlreiche -Brücken diesen Typs zu bauen. Vollwand-Trägerbrücken wie die in Hilden entstanden nun in einer für diese Konstruktionsform typischen Ästhetik.

Entworfen hat die denkmalgeschützte Brücke möglicherweise Diplom-Ingenieur Resinger vom Reichsautobahnamt Köln. Gebaut hat sie die Firma Hein, Lehmann und Co aus Düsseldorf. Am 21. Mai 1936 wurde das gut 25 Kilometer lange Teilstück Köln-Düsseldorf der „Reichsautobahn“ dem Verkehr übergeben. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels persönlich eröffnete die Strecke und fuhr inmitten eines langen Autokorsos nach Düsseldorf.

Im April 1945 wollten deutsche Truppen die Brücke sprengen, um die von Haan anrückenden Amerikaner aufzuhalten. Karl Jung war damals 37 Jahre alt, Schweißspezialist und Vorarbeiter bei der Firma Kornprinz in Hilden. Er versuchte den verantwortlichen Offizier davon zu überzeugen, dass die Panzersperren unter der Brücke sinnlos waren, hat er  2005 erzählt.

Die US-Panzer konnten sie durch den Stadtwald leicht umgehen. Er wies den Offizier auch darauf hin, dass die Brücke ein Industrie-Denkmal sei. Der ging wortlos weg und ließ Karl Jung stehen. Am nächsten Tag waren die Panzersperren weg, die Brücke wurde nicht gesprengt.

Mitte 1967 fuhren Ingemarie und Josef Pohl aus Hilden mit Auto und Zeltanhänger drei Wochen durch die Sowjetunion. An einer Tankstelle in Ivatsevichi zwischen Brest und Minsk sprach sie ein Russe an. Während des Krieges habe er in Hilden bei Kronprinz als Gefangener gearbeitet, erzählte Leo Schechuk: „Karl Jung war damals mein bester Freund.“ Als Jung diese Geschichte am 29. Juni 1967  las, kamen ihm die Tränen.

Er schrieb Briefe an die Tankstelle in Ivatsevichi, versuchte Leo Schechuk über den Suchdienst des Roten Kreuzes ausfindig zu machen. 1989, 22 Jahre später, kam eine Antwort:
negativ.

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