Haan Haaner findet 500 Liebesbriefe

Haan. · Sven Kübler hat im Nachlass seiner Mutter Briefe von ihrer Jugendliebe gefunden. Er macht ein Buch daraus.

 Sven Kübler kann sich gar nicht satt sehen an den vielen Liebesbriefen.

Sven Kübler kann sich gar nicht satt sehen an den vielen Liebesbriefen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Auf den ersten Blick sieht man nur schmuckloses braunes Papier, schon ganz vergilbt: Darauf geklebt sind Worte, die aus Zeitschriften ausgeschnitten wurden. Liest man sie in der Reihenfolge, ergeben sie den Satz: „Hier mein Spiegel der Liebe für dich.“

Es ist ein ganz besonderes, selbst gebasteltes Büchlein, das an jenem Weihnachten des Kriegsjahres 1942 den Weg in die Hände von Eva Margarete Schmidt findet. Denn es stammt von ihrem Liebsten, der von Russland mitten aus den Schrecken des Krieges heraus in sanften, zärtlichen Worten seiner Angebeteten schildert, wie es um ihn steht.

„Du, meine heißgeliebte Eva”, heißt es da: „Wenn Du diesen Brief in den Händen hältst, wird Heiliger Abend sein! Unter den Lichtern des Christbaums wirst Du im Kreise Deiner Lieben zu Hause sitzen und sollst nun an diesem Tag auch von Deinem Peter etwas in den Händen halten, was Dir zeigt, dass er mit seinem ganzen Herzen und all seinen sehnsüchtigen Gedanken jetzt gerade bei Dir ist! Tausende von Kilometern weit von Dir entfernt werde ich diese Stunden hier draußen nur ertragen können, weil ich genau weiß, dass Du, mein ganzer Sonnenschein, Deine Gedanken jetzt auch nach Osten zu mir lenken wirst. Ob wir den Lichterglanz der Weihnachtskerzen erleben dürfen, ob wir überhaupt dienstfrei haben oder was uns wohl dieser Tag bringen wird, das steht noch offen, doch sei gewiss, mein Liebes, dass ich ganz nah bei Dir sein werde!”

Das sind Zeilen, die schon einen unbeteiligten Leser berühren – wie muss es da erst Sven Kübler ergangen sein. Der Haaner, den viele aus seiner Tätigkeit im Vorstand der Umweltorganisation Agnu kennen, hat 500 solcher Liebesbriefe vor einigen Jahren im Nachlass seiner verstorbenen Mutter gefunden. Sie zeugen von großen Gefühlen in schwierigen Zeiten, doch sie stammen nicht aus der Feder seines Vaters.

„Wie in wohl den meisten Familien wurde auch bei uns über die Vergangenheit nicht gesprochen”, sagt Kübler. So sei er dann nach dem Tod seiner Mutter von mehreren Ordnern gesammelter Korrespondenz überrascht worden. „Warum hat sie all das aufgehoben?”, fragte sich der Sohn – zwei A4-Ordner handgeschriebener Briefe von einem gewissen Peter!

Die geheimnisvollen
Schreiben von Peter

„Peter? Von dem war nie die Rede gewesen”, erinnert sich Sven Kübler noch genau an die widerstreitenden Gefühle, die er beim Lesen der Briefe empfand und die Fragen, die sich daraus ergaben: Warum hebt die Mutter Briefe eines Peters auf, die in den Jahren 1942 bis 1947 geschrieben wurden? Warum zieht sie mit zwei Ordnern mehrfach um, erst von Hohenstein nach Frankfurt, dann nach Düsseldorf, dann nach Hilden und aus dieser sehr großen Wohnung in eine Rentnerwohnung und später ins Seniorenheim nach Haan? Wie eingelegte Kalenderblätter zeigen, hat sie in ihren letzten Jahren ihres Lebens tatsächlich noch einmal in diesen Briefen gelesen!

Als Nachkriegskind, Jahrgang 1952, hat Kübler wenig erfahren vom Zweiten Weltkrieg. Daher interessieren ihn auch die Zusammenhänge, wenn im Brieftext dazu ein Anlass deutlich wird. „Irgendwann habe ich mich dann dazu entschlossen, diese offenbar große Liebesgeschichte zwischen den beiden in einem Buch zu verarbeiten und die Briefe abzudrucken“, berichtet Kübler.

Doch das war einfacher gesagt als getan: „Peter hatte zwar eine sehr schöne Handschrift, doch musste man sich an den Stil gewöhnen“, sagt der Haaner. Meist waren die Briefe auf sehr dünnem Papier und dann noch beidseitig beschrieben. Vielfach auch noch Zusätze auf mehreren Randseiten.

Doch Kübler entschließt sich, die Dokumente zu entziffern und sie öffentlich zugänglich zu machen, indem er sie chronologisch in Buchform veröffentlicht. Das Werk heißt schlicht: „Peter und Eva – eine Liebe in schwierigen Zeiten.“

Viel hat Kübler über jenen Peter Holst nicht herausfinden können, aber immerhin soviel: Er wurde am 13. November 1909 geboren, vermutlich in Leipzig Die Eltern Holst hatten einen großen Modesalon am, Dittrichring. Peter war Spieler beim VFB, beziehungsweise 1.FC Lok Leipzig in der Zeit von 1932-37. Er gehörte sogar zur Mannschaft, die am 3. Januar 1937 den Pokal gegen den FC Schalke gewann. Er starb in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Eva Margarete Schmidt, geboren 1922 in Hohenstein-Ernstthal, war die Tochter eines geachteten Fabrikanten. Sie war eine sehr hübsche junge Frau, mit hoher Bildung aus „gutem“ Haus. Ihre große Liebesgeschichte begann am 13. Februar 1942 im Ratsherrenstüberl in Leipzig. Eva, süße, unerfahrene 19 Jahre, Peter, lebensfroher Junggeselle mit 32 Jahren.

Die Mutter hat mit ihrem Sohn
nie über diese Liebe gesprochen

Auch wenn sie später einen anderen Mann heiratete – der Vater hatte ein Machtwort gesprochen – so geht aus den vielen zärtlichen Briefen jedoch hervor, wie tief die Zuneigung dieser beiden Menschen gewesen sein muss.

Dass die Mutter später nie davon erzählte, ist dem Sohn beim Lesen wie eine Art Mahnung vorgekommen: „Ich habe daraus mitgenommen, mit meinen Kindern so offen wie nur möglich umzugehen und auch über Gefühle zu sprechen“, sagt Kübler, der durchaus glaubt, dass auch anderen die Lektüre der chronologisch aneinandergereihten Liebesbriefe etwas zu geben hat.

Gelegentlich finden sich zwischen den Peter-Briefen auch Briefe von Peters Mutter Gustl Holst und sogar manche Briefe, die Küblers Mutter auf der Maschine mit Durchschlag an Peter geschrieben hat.

Die Korrespondenz ist nicht nur emotional interessant, wie er betont: „Allein bedingt durch unterschiedliche Postlaufzeiten kam eine Antwort meiner Mutter auf einen Brief von Peter erst nach vier Wochen an. Insofern muss man mitunter etwas zurückblättern, um den Zusammenhang zu verstehen.

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