Hospiz – das letzte Zuhause

Am Blumenplatz sind Sterbende nicht Patienten, sondern Gäste. Das erlebten auch zwei Krefelder Schwestern.

Krefeld. Es ist schwierig für die beiden Schwestern, wieder hier zu sein. Denn das Licht brennt erneut in dem ihnen vertrauten Zimmer - ein neuer Gast ist eingezogen. Zwei Wochen lang sind sie jeden Tag ins Krefelder Hospiz am Blumenplatz gegangen. Dann kam der Anruf: "Ihre Mutter ist gestorben."

Heute sind Alexandra Ender und Antonia Schmidt (Namen geändert) dankbar, dass sie sich für das Hospiz entschieden haben. Vorher darüber nachgedacht hatten sie nicht: "Den Gedanken ans Sterben schiebt man weg", sagt Ender.

Die Mutter, Ute Ender, hatte Brustkrebs. Sie wurde mit einer Chemotherapie behandelt, aber "es ging ihr ganz gut", sagt Schmidt. Dann hatte Ute Ender beim Sprechen Aussetzer. Die Diagnose: Metastasen im Hirn. Das war vor sechs Wochen.

Die Schwestern und der Lebensgefährte pflegten die Mutter zu Hause, bis es nicht mehr ging. "Wir sind an körperliche Grenzen gestoßen, und plötzlich merkst du, dass du der Mutter nicht mehr gerecht wirst, wie es zwei ausgebildete Krankenschwestern könnten", sagt Ender.

Vor zwei Wochen bekam die Mutter einen Platz im Hospiz. Dagegen wehrte sich Schmidt zuerst. Denn sie hatte ihrer Mutter versprochen: niemals ein Pflegeheim, niemals ein Krankenhaus.

Dann wurde es doch das Hospiz. Und Schmidt hatte Schuldgefühle. Denn Hospiz bedeutet das letzte Zuhause - die Akzeptanz des Todes, den die Schwestern lieber verdrängt hätten.

Die Mutter hatte die stationäre Betreuung nicht abgelehnt, zugestimmt hatte sie aber auch nicht: "Du machst das schon", war die Antwort der Mutter auf die Ankündigung, dass sie ein Zimmer bekäme. Die Tochter aber wollte die Absolution der Mutter.

Die bekam sie nicht, weil die Mutter nicht mehr sprechen konnte. Dafür bekam Schmidt aber das Gefühl, dass nicht nur ihre Mutter am Blumenplatz richtig aufgehoben war, sondern auch sie und ihre Schwester.

Wann immer sie Fragen hatten, konnten sie sich an die Pflegekräfte wenden. Sie erklärten, dass es Teil der Krankheit sei, dass die Mutter nicht mehr spreche und esse. Und dass viele Sterbende wie die Mutter in der finalen Phase unruhig seien.

Ender: "Ich weiß, dass das Hospiz die richtige Entscheidung war." Denn als sie nicht mehr für die Pflege der Mutter zuständig waren, konnten sie die Zeit richtig nutzen. Mit der Mutter reden. Oder einfach nur die Hand halten. Für die Schwestern ist das Hospiz ein Gästehaus. Denn sie hatten immer das Gefühl, als Gäste willkommen zu sein.

Natürlich sind Ender und Schmidt traurig, können den Tod der Mutter nicht begreifen. Aber sie sind auch erleichtert. Erleichtert darüber, dass ihre Mutter im Schlaf hinübergehen konnte, wie sie es sich gewünscht hatte. Und dass sie ein letztes Zuhause gefunden hatte, in dem sie liebevoll aufgenommen worden war.

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