Troubadour in Salzburg: Netrebko als frustrierte Museumswärterin

Salzburg (dpa) - Die Kanzlerin war zwar nicht gekommen - sie hatte sich schon ein paar Tage zuvor den „Rosenkavalier“ gegönnt und ein Beethoven-Konzert mit dem Pianisten Rudolf Buchbinder.

Troubadour in Salzburg: Netrebko als frustrierte Museumswärterin
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Doch auch ohne Angela Merkel war die Neuinszenierung von Verdis „Il Trovatore“ am Samstagabend der unumstrittene gesellschaftliche Höhepunkt der diesjährigen Salzburger Festspiele. Schließlich standen mit Anna Netrebko und Plácido Domingo zwei Stars auf der Bühne, die zumindest in punkto Bekanntheit Merkel mühelos das Wasser reichen können.

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Die nach ihrer gescheiterten Ehe mit dem Sänger Erwin Schrott frisch verliebte Diva präsentierte sich sängerisch in Hochform. Ihr makelloser Sopran hat in letzte Zeit einiges an Tiefe gewonnen und klingt nahezu ideal für leichtere dramatische Rollen wie die der Leonora in Verdis etwas verworrenem Historiendrama, das Regisseur Alvis Hermanis von der Renaissancezeit in ein Museum mit Alten Meistern verlegt hatte. Netrebko spielte eine Museumswärterin, die sich in das Bildnis eines Minnesängers verliebt hat und sich im Traum in dessen Geliebte Leonora verwandelt.

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Nach jedem längeren Auftritt, vor allem der unsterblichen Arie „Auf den rosigen Flügeln der Liebe“, brandete Szenenapplaus auf. Am Ende, nach Leonoras Freitod und der Hinrichtung ihres Geliebten Manrico, des Troubadours, durch seinen Gegenspieler, den Grafen Luna, war das Publikum schlicht aus dem Häuschen. Netrebko bedankte sich mit jungmädchenhaftem Winke-Winke und einem Küsschen für Dirigent Daniele Gatti. Obwohl auch Plácido Domingo als Luna mit Ovationen bedacht wurde, muss man konstatieren, dass er zuweilen mehr bellte als sang. Der im Verlauf seiner Alterskarriere zum Bariton mutierte Startenor beeindruckt mittlerweile mehr mit seiner körperlichen Präsenz und Charisma als mit seiner Stimme.

Im nahen Tiroler Festspielort Erl stand am gleichen Abend José Carreras, Domingos einstiger Partner bei den „Drei Tenören“, in der Oper „El Juez“ des österreichischen Komponisten Christian Kolonovits auf der Bühne, in der eine wahre Begebenheit aus der Franco-Diktatur thematisiert wird. Der Event war zunächst vollmundig als Carreras Bühnenabschied angekündigt worden. In einer Pressekonferenz hatte der Sänger die Frage, wann er sich endgültig zur Ruhe setzt, aber wieder relativiert.

Auch von Francesco Meli als „Troubadour“ Manrico hätte man sich in Salzburg mehr erwartet. Seine zuweilen etwas scharfe Stimme verströmte wenig tenoralen Schmelz. Und das „hohe C“ in der berühmten Arie „Di quella pira“ - wenn es denn wirklich eines war - fiel recht unscheinbar aus. Wie übrigens das gesamte Ensemble einschließlich der routiniert aufspielenden Wiener Philharmoniker infolge Gattis wenig differenzierten Zugriffs fast immer zu laut und forciert sang und spielte.

Die Inszenierung des Letten Hermanis, den Salzburgs scheidender Intendant Alexander Pereira als Opernregisseur entdeckt hatte, war eigentlich eine Mogelpackung. Es begann recht peppig mit einer Art Rahmenhandlung mit Netrebko als sexuell frustrierter Museumswärterin im strengen, blauen Kostüm und klobiger Brille. Die eigentliche Opernhandlung spielt sich dann in ihren Träumen ab, in denen die historischen Gestalten der ausgestellten Bilder lebendig werden.

Das Geschehen mutiert dadurch zum üppig ausgestatteten Kostümschinken a la Zeffirelli, garniert mit szenisch irgendwie passenden Gemälden der Renaissance, die lautlos durch den Raum gleiten. Beim Duell zwischen Manrico und Luna sieht man zwei berittene Krieger, wenn Leonora von der Liebe singt ein Rudel Madonnendarstellungen.

Falls das alles ironisch gemeint sein sollte, hätte Hermanis ein paar Register mehr ziehen müssen. So scheint es, als drücke sich der Lette davor, der zugegebenermaßen schwer verständlichen Opernhandlung irgendeinen Sinn abzutrotzen. Dadurch fehlt der Inszenierung freilich jede dramatische Fallhöhe.

Und die Netrebko kann so schön singen wie sie will, zu Herzen geht das alles nicht wirklich. Vielleicht fiel der Jubel deswegen etwas kompakt aus. Ovationen für die Sänger, matter Applaus für Gatti und einige Buhs für Hermanis.

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