Britfolk-Darling Laura Marling will hoch hinaus

Berlin (dpa) - Laura Marling macht es dem Zuhörer nicht leicht. Die Folksongs ihrer neuen Platte wirken zunächst teilweise recht spröde. Aber die Geduld lohnt sich. „Once I Was An Eagle“ ist das mutige, starke Statement einer frühreifen Künstlerin.

Das vierte Album der gerade mal 23-jährigen Singer/Songwriterin und Gitarristin hat in ihrem Geburtsland Euphorie, aber auch Skepsis ausgelöst. Das Musikmagazin „Uncut“ schwärmt von „Britain's finest young singer-songwriter“ und hört ein „Meisterwerk“. Der „Guardian“ dagegen vermisst Demut in den 16 Liedern, die junge Dame komme arg arrogant rüber. Für beide Urteile gibt es gute Gründe.

Denn nach ihrem bereits herausragenden dritten Album „A Creature I Don't Know“ (2011) hat die weißblonde, porzellanhaft blasse Schönheit Marling die Kunstfertigkeit und Erlesenheit ihrer Songs nochmals gesteigert. Man kann den Anspruch, sich an der großen Joni Mitchell der 70er Jahre oder an der ewigen Britfolk-Ikone Nick Drake zu orientieren, entweder bewundern oder ablehnen. Aber genau dort möchte Marling hin - Album Nummer vier will hoch hinaus.

Allein der Opener dauert rund 16 Minuten - eigentlich sind es ja vier Lieder, die bruchlos ineinander übergehen, aber klar eine melodische Einheit sein wollen. Ein vor der Album-Veröffentlichung präsentiertes Video bildet diesen eindrucksvollen Spannungsbogen ab. Von Track 1 („Take The Light Off“) bis Track 4 („Breathe“) legt Marling eine gute Viertelstunde lang ihre Karten auf den Tisch: Seht her, ich liefere Euch ein Album für die Bestenlisten.

Danach wird es fast schon rockig - in „Master Hunter“ zitiert die junge Sängerin einen anderen Säulenheiligen des Folk, nämlich Bob Dylan (sie singt allen Ernstes „It Ain't Me Babe“). Danach kehrt das Album zur bewusst kargen Instrumentierung zurück - meist nur Marlings Akustikgitarre, handbetriebene Percussion und Keyboards von Produzent Ethan Johns sowie etwas Cello von Ruth de Turberville.

Manche von Marlings neuen Liedern wirken - wie schon auf dem Vorgänger - zornig und aufgewühlt, ihre tolle Altstimme überschlägt sich gelegentlich oder raunt gefährlich. Auch nach dem friedlichen Instrumental „Interlude“ in der Albummitte bleibt das meist so. „Die Platte wurde geschrieben, als ich durch eine Phase von Verletzungen und Frust ging (...), und es wurde alles leichter für mich, als ich diese Dinge offenlegen konnte“, sagte Marling im „Uncut“-Interview. „All das hat dazu geführt, dass ich meine Naivität verloren habe.“

Viel ist in England über das Privatleben der Künstlerin spekuliert worden - konkret: ob die Trennung von den angesagten Band-Sängern Charlie Fink (Noah And The Whale) und Marcus Mumford (Mumford & Sons) diesen tief sitzenden Groll verursacht hat. Laura Marling ist dezent und intelligent genug, um dies nicht weiter zu kommentieren, sie lässt ihre Lieder für sich sprechen.

Es sind zum allergrößten Teil runde, reife Songs, wunderbar sensibel gesungen und arrangiert (erster Anspieltipp: das bildschöne Folk/Bossa-Stück „Little Bird“). Mag auch „Once I Was An Eagle“ insgesamt mit 65 Minuten etwas zu lang geraten sein (ein Dutzend Lieder hätte auch gereicht), so ist doch allein der Anspruch dieser Platte bewundernswert. Oder eben: hochmütig.

Die selbstbewusste Laura Marling wird mit beiden Auffassungen leben können. Oder, wie sie selbst über „Once I Was An Eagle“ schreibt: „So viel anders als das konventionelle Standard-Album ist es dann ja trotzdem gar nicht ausgefallen. Vielleicht einen Tick länger als der Durchschnitt. Und Hit-Kandidaten fürs Radio, die sucht man vergebens.“

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