Tim Bendzko hängt „Am seidenen Faden“

Berlin (dpa) - Manchmal sagen die Leute zu ihm: „Ich kenn' dein Lied!“ Tim Bendzko macht sich dann den Spaß und fragt, welches Lied gemeint ist. Sein „Nur noch kurz die Welt retten“ ist einer der großen Ohrwürmer der vergangenen Jahre.

Jetzt ist sein sein zweites Album erschienen: „Am seidenen Faden“. Zuletzt war seine Karriere wie ein Film im Schnelldurchlauf. Bei Tim Bendzko ist es ein bisschen wie bei Lena Meyer-Landrut: Der Welpenschutz ist langsam vorbei, nach dem Hype muss es weitergehen. Nur wie?

Was bisher geschah: 2009 siegte der Singer/Songwriter aus Berlin bei einem Talentwettbewerb der Söhne Mannheims. Mit „Wenn Worte meine Sprache wären“ gewann er 2011 Stefan Raabs Bundesvision Song Contest, im Jahr danach holte er den Echo-Musikpreis. Sein Debüt-Album schaffte Doppelplatin. Gerade saß der 28-Jährige in der Jury der Kindercastingsendung „The Voice Kids“ - und bekam bei manchen Kandidaten väterliche Gefühle. „Die waren so süß, dass ich sie sofort adoptieren wollte.“

„Süß“, das ist auch ein Wort, das dem Lockenkopf Bendzko angeheftet wird. Beim Interview im Berliner „Soho House“-Hotelzimmer trägt er Jeans und Turnschuhe. Kurz wird gescherzt, ob das omihafte Blümchensofa eine passende Kulisse ist. Bendzko strahlt eine freundliche Lässigkeit aus. Zugleich will er nicht zuviel preisgeben, das ist auch in seinen Liedern so. Er ist ein Handwerker, der sich im Studio einschließt: „Ich brauche Normalität um mich herum, ich könnte jetzt nicht in eine andere Stadt oder ans Meer fahren.“

Seine neue Single „Am seidenen Faden“ ist wieder ein Ohrwurm, der viel offen lässt. Sein Stil bleibt gefühliger, selbstgedichteter deutscher Pop, für Leute, die Rosenstolz oder Xavier Naidoo mögen - auch dieses Album dürfte wieder ein Erfolg werden. Vielleicht werden mal Schulklassen über Bendzko-Poesie wie „Ich will keine Winter mehr“ brüten. Einen Interpretationsschlüssel gibt es nicht dazu.

„In Amerika ist es total normal, dass du alles von dir preisgibst - Justin Bieber postet am Tag drei Nacktbilder von sich“, sagt Bendzko. „So etwas würde in Deutschland keiner machen.“ Im Internet ist er selbst mal total aktiv, mal schweigt er. Auf jeden Fall hat Bendzko Grenzen. „Ich habe letztens meinen Geburtstagskuchen als Foto auf Twitter gestellt. Das ist an sich eine private Sache, aber sagt nichts über mein Privatleben.“ Er macht sich über eine Welt lustig, die surft, postet, simst und twittert: „Wir sind alle programmiert“, singt Bendzko dazu.

„Nur noch kurz die Welt retten“ war wie eine Lawine, im guten Sinne. „An dem Tag, an dem das Lied wirklich erfolgreich wurde, bin ich aufgewacht und habe mich als Musiker gefühlt. Es ist mein Beruf geworden.“ Den Newcomer-Bonus hat er jetzt nicht mehr. „Das erste Album war so exorbitant erfolgreich, wie es keiner geglaubt hätte“, sagt Bendzko. „Es wäre eine dumme Idee zu denken, es geht jetzt immer so weiter. Ich versuche, Musik zu machen, wie ich es gut und richtig finde. Was am Ende damit passiert, liegt nicht in meiner Hand.“

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