Hector mit „Herz“ zu Deutschlands Elfer-Helden

Bordeaux (dpa) - Dem Papa und den Freunden auf der Tribüne schenkte Elfmeterheld Jonas Hector die größten Glücksmomente. Als 18. Spieler des Viertelfinal-Krimis gegen Italien schritt der Turnier-Debütant zum Punkt - und versetzte den Fußball-Weltmeister in kollektiven Freudentaumel.

„Man muss das Herz in die Hand nehmen und antreten“, schilderte der 26-Jährige vom 1. FC Köln seinen größten Augenblick im DFB-Trikot. „Auf so einer Bühne einen entscheidenden Elfmeter zu schießen, ist ein Moment, der auf jeden Fall in Erinnerung bleibt.“

Lukas Podolski trug passend zum Mann des Abends ein lustiges FC-Köln-Hütchen, auf dem Handy von Hector trudelten dauerhaft die Glückwunschnachrichten ein. Teamkollegen und Verantwortliche waren mächtig stolz auf ihren Außenverteidiger. „Jonas ist eher der ruhige Vertreter, der sich nicht aufregt. Ich freue mich besonders für ihn, dass er den entscheidenden Elfmeter reingeschossen hat“, sagte Manager Oliver Bierhoff nach dem XXL-Elfmeterschießen.

Nicht aufregen? Von wegen! Mit zitternden Knien und „konstant hohem Puls“ schritt Hector zum finalen Akt des Dramas von Bordeaux. „In der Jugend habe ich zuletzt einen Elfmeter geschossen, im Seniorenbereich noch keinen“, erinnerte der 19-malige Nationalspieler. Hector legte sich entschlossen den Ball zurecht, pustete kurz durch, ein paar Schritte Anlauf. Und dann kam der große Moment des Zitterns, als Gigi Buffon fast noch parierte. Zwischen Himmel und Hölle liegen bei der Mutprobe vom Punkt manchmal nur Millimeter.

„Das war für jeden ziemlich nervenaufreibend. Erst dachte ich, er hat ihn“, schilderte Hector den bangen Sekundenbruchteil. „Bei Jonas war ein klein bisschen Glück dabei, aber am Ende war der Ball auch gut genug, um reinzugehen“, analysierte Mats Hummels, der besonders auch die Nervenstärke von Joshua Kimmich lobte. Im Pokalfinale verballerte der Bayern-Aufsteiger noch, diesmal traf er abgezockt ins Eck. Dagegen verschossen die Routiniers und Experten Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil und Thomas Müller. Aber sie konnten sich ja auf Manuel Neuer und die EM-Debütanten verlassen.

„Super war, dass gerade die Youngster Kimmich und Hector, die ihr erstes Turnier spielen, vor so einer Kulisse, auf so einer Bühne, die Nerven behalten haben“, lobte Joachim Löw. Der Bundestrainer musste an der Seitenlinie tatenlos zuschauen, als die verbliebenen DFB-Heroen den nächsten Schützen unter sich ausknobelten. „Da hatte ich keinen Einfluss mehr darauf“, gestand der beeindruckte Löw. Erst der neunte deutsche Elfer brachte die Entscheidung.

„Nach den ersten fünf Schützen haben wir untereinander kommuniziert, wer dann der nächste ist“, veranschaulichte Hector die packenden EM-Momente, die das 2500-Seelendörfchen Auersmacher ganz speziell verzückten. Für den Saarland-Ligisten SV Auersmacher, für den auch Vater und Mutter kickten, spielte Hector noch bis zu seinem 20. Lebensjahr. Dort leistete er auch ein Freiwilliges Soziales Jahr ab, machte sogar die C-Lizenz als Trainer.

Über ein Probetraining bei der zweiten Mannschaft von Bayern München kam er ins Regionalligateam des 1. FC Köln. Und nach nur elf Bundesligaspielen für die „Geißböcke“ gab Hector am 14. November 2014 in Nürnberg beim 4:0 gegen Gibraltar sein Debüt für Deutschland. In der EM-Saison ist der BWL-Fernstudent eine feste Größe und der einzige von 33 eingesetzten Nationalspielern, der in jetzt 14 Partien auf dem Platz stand. Dabei ist er zu einem wahrer Italien-Spezialist geworden: Sein einziges Tor gelang im März beim Test gegen die „Squadra Azzurra“, diesmal bereitet er den Özil-Führungstreffer vor.

„Ich glaube, es gibt Schlimmeres im Leben, als wenn man so oft in der Nationalmannschaft ran darf“, sagte der glückselig lächelnde Hector auf dem Höhepunkt seines EM-Märchens.

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