Vettel-Herausforderer Räikkönen braucht die Ruhe

Enstone (dpa) - Kimi Räikkönen ließ selbst die vom Lotus-Team heiß ersehnte Präsentation des ersten Formel-1-Wagens für die neue Saison gewohnt stoisch und emotionslos über sich ergehen. Der wortkarge Finne verzog bei der Vorstellung des E21 kaum eine Miene.

In einem schriftlichen Interview seines Teams ließ er aber keine Zweifel daran, dass er sich nach WM-Rang drei in seinem ersten Comeback-Jahr und seinem Team noch mehr zutraut. „Natürlich gibt es einen ziemlich harten Wettkampf und jeder möchte gewinnen. Das Team hat aber schon jeden geschlagen, und es gibt keinen Grund, warum das nicht wieder gelingen sollte“, sagte der Finne, der in seine zweite Saison mit Lotus startet. 2012 war das erste Jahr nach seinem Comeback - und was für eins!

Der Weltmeister von 2007 (Ferrari) fuhr siebenmal aufs Podium und holte sich Anfang November in Abu Dhabi sogar seinen 19. Grand-Prix-Sieg. Dabei sorgte Räikkönen auch für einen seiner legendären Sätze. Nach einem Funkspruch durch sein Team fauchte der Finne zurück: „Lasst mich in Ruhe, ich weiß, was ich tue.“

Sein neuer Dienstwagen ähnelt dem Vorgängermodell, was angesichts der geringen Regeländerungen nicht besonders frappierend ist. Farblich wurde indes das traditionelle schwarz-goldene Lotus-Design durch rote Elemente ergänzt. Das kann die krumme Nase optisch aber auch nicht wettmachen. Lotus verzichtete auf die erlaubte Blende, um den Knick vorm Cockpit kosmetisch zu verschönern.

„Einige Teile des Wagens haben wir von Grund auf neu entworfen, in anderen Bereichen haben wir die Grundzüge unserer Designphilosophie der vergangenen Jahre weiter entwickelt“, sagte Technikchef James Allison. „Wir wissen, dass wir in der letzten Saison ein gutes Auto hatten“, meinte Räikkönen: „Jeder arbeitet jetzt daran, das Beste aus dem neuen Wagen herauszuholen.“

Denn das erste Saisonziel ist ambitioniert: Mindestens Platz drei in der Konstrukteurswertung. Auch dank eines finanziell lukrativen Deals mit Getränkehersteller Coca-Cola könnte Lotus das packen. Am Ende des vergangenen Jahres musste sich der Traditionsrennstall (303 Punkte) noch hinter Red Bull (460), Ferrari (400) und McLaren (378) einreihen.

Mehr wäre vielleicht auch im vergangenen Jahr schon dringewesen. Das größte Problem aus Fahrersicht stellte aber Räikkönens französischer Kompagnon Romain Grosjean dar. Er holte zwar 96 Zähler, verbrachte aber gefühlt mehr Zeit im Kiesbett als auf dem Asphalt.

„Das war wieder der Verrückte aus Kurve eins“, schimpfte Anfang Oktober in Suzuka Sebastian Vettels Red-Bull-Partner Mark Webber, nachdem Crashpilot Grosjean mal wieder in eine Kollision verwickelt gewesen war. „Ich habe jetzt viel mehr Erfahrung in der Formel 1. Ich weiß jetzt noch besser, wie ich mit den Ingenieuren zusammenzuarbeiten habe“, beteuerte Grosjean.

In Sachen Kommunikation gilt Kollege Räikkönen nicht gerade als Idealfall. Dennoch funktionierte der 33-Jährige aus Espoo bei Lotus trotz zweijähriger Auszeit auf Anhieb wie zu besten alten Zeiten.

Bei dem Hype um das Duell Vettel gegen Fernando Alonso im Ferrari ging sein hervorragender dritter Platz nach seinem Rallye-Ausflug 2010/2011 fast ein bisschen unter. Für Räikkönen kein Problem. „Ich habe meine Rückkehr in die Formel 1 im vergangenen Jahr genossen“, sagte er nun. „Es gibt keinen Grund, warum ich dieses Jahr nicht auch genießen sollte.“ Solange ihn am besten alle in Ruhe lassen.

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