Der Fall Dresden: Polizei und Fußball hilflos

Frankfurt/Main (dpa) - Der deutsche Fußball muss sich noch mehr mit seinen Randalierern auseinandersetzen - aber wie? Die Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht im Fall Dynamo Dresden gab erschreckende Einblicke in die gewaltbereite Szene.

Zehn-Punkte-Plan, Runder Tisch zur Sicherheit, Task Force - der deutsche Fußball hat in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlichkeitswirksame Maßnahmen ergriffen, wenn es um den Kampf gegen Randale ging. Der Fall Dynamo Dresden zeigt jedoch, dass Clubs und Polizei den Gewalttätern oft hilflos gegenüber stehen. „Die Staatsmacht weicht vor diesem Mob zurück. Wir wissen überhaupt nicht, wie dieses Strafmaß wirkt“, sagte Dynamo Dresdens Anwalt Christoph Schickhardt, nachdem das DFB-Sportgericht den Zweitligisten für die kommende Saison aus dem Pokal ausgeschlossen hatte. Er beklagte nach dem einmaligen Urteil eine „gewisse Hilflosigkeit“ des Gremiums: „Das Problem sind in der Bundesliga die Auswärtsspiele. Das ist die Party der Randalierer.“

Nach der über fünfstündigen Verhandlung malte der Vorsitzende Richter Hans E. Lorenz, der sich nicht als „Vertreter einer sonderlich harten Kante“ sieht, gar den Teufel an die Wand: „Tote gab es noch nie in unseren Stadien. Wenn es so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Tote gibt.“ Die Videoaufnahmen vom DFB-Pokalspiel der Dresdner bei Borussia Dortmund vom 25. Oktober und auch der Bericht des Dortmunder Polizeidirektors Peter Andres hatten den Prozessbeteiligten deutlich wie nie aufgezeigt, wie machtlos die Einsatzkräfte sind, wenn ihnen plötzlich 4500 Fans gegenüberstehen, die auf Krawall gebürstet sind.

„Hier ist soviel passiert, wie ich in der Vergangenheit nicht erlebt habe“, sagte Lorenz. Und DFB-Chefankläger Anton Nachreiner nahm sogar einen Einwurf seines Kontrahenten Schickhardt auf: „Wo hört die Verantwortlichkeit des Fußballs auf? Das ist eine sehr gute Frage“, sagte der DFB-Chefankläger. „Ich kann nur sagen: In unmittelbarer Nähe ist sie da.“

Schon beim Anmarsch der Dynamo-Ultras und ihrer Mitläufer hatte die Polizei zu kämpfen, dass keine „bürgerkriegsähnlichen Zustände“ entstehen, wie Andres schilderte. Als die Lage auf dem Stadionvorplatz eskalierte, konnten die 1400 Polizisten die Schläger, Flaschenwerfer und jene, die Knallkörper zündeten, nicht einmal herausfischen. „Es wäre ein Blutband entstanden - das sage ich hier so deutlich - wenn wir härtere Maßnahmen getroffen hätten“, erklärte der Einsatzleiter.

Mit Fantum, so Nachreiner, habe dies nichts zu tun und bilanzierte: „Die Strafen haben bisher in Fußball-Deutschland zu wenig geführt. Die Sanktionen, die wir bisher verhängt haben, waren augenscheinlich zu milde.“ Schickhardt wollte nicht verstehen, wieso man die Krawallmacher überhaupt noch ins Stadion gelassen habe: „Damit kann der Fußball nichts anfangen, die kann er in eineinhalb Stunden nicht zur Räson bringen.“ Der Ludwigsburger Anwalt glaubt auch nicht, dass die Randalierer ansprechbar für Fanprojekte sind. Die Polizisten und Ordnungskräfte bedauerte er: „Das ist ein Scheißjob in dieser Situation. Aber der Fußball kann nicht für alle Schäden aufkommen, die in der Gesellschaft angerichtet werden.“

Lorenz ist davon überzeugt, dass härtere Strafen wirken. Er erinnerte an den FC Liverpool, der nach seiner Verwicklung in die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion von 1985 mit 39 Toten für sieben Jahre aus den internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen wurde. „Das hat gewirkt“, so der Vorsitzende des Sportgerichts. Die Engländer hätten das Problem in den Griff bekommen: „Es geht also, und es geht auch in Deutschland“, sagte er optimistisch.

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