Nach Torlinientechnologie: Wann kommt der Videobeweis?

Frankfurt/Main (dpa) - Kaum war die Einführung der Torlinientechnik in der Bundesliga beschlossene Sache, wurde schon der Ruf nach dem Videobeweis laut.

Nach Torlinientechnologie: Wann kommt der Videobeweis?
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Der historische Beschluss der 18 Clubs aus dem deutschen Fußball-Oberhaus, von der kommenden Saison an auf das lange abgelehnte Hilfsmittel zu setzen, mutet wie eine Steilvorlage für die nächste Stufe der Technik-Revolution an. „Wenn die Torlinientechnik eingeführt wird, sollte über die Einführung weiterer Techniken diskutiert werden. In Holland wird der Videoschiedsrichter praktiziert, das ist konsequent“, sprach sich ausgerechnet Schalkes Sportdirektor Horst Heldt, bislang Gegner der Torlinientechnik, für eine noch umfassendere Überwachung des Spielfeldes aus.

Ähnliche Töne waren von Martin Hornberger, dem Gesamtgeschäftsführer des Aufsteigers SC Paderborn, zu vernehmen. „Der SC Paderborn hat dagegen gestimmt, weil uns der Beschluss nicht weit genug geht. Wir sind der Meinung, dass die Liga reif wäre, den Videobeweis einzuführen“, erklärte Hornberger. „Die Torlinientechnik kann nur einen gewissen Bereich einfangen. Wir hoffen, dass die Einführung der Torlinientechnik nicht das Ende der Entwicklung ist.“

Auch beim FC Augsburg, der ebenfalls gegen die Torlinientechnologie gestimmt hatte, wünscht man sich mehr Aufklärung bei strittigen Szenen. „Ich bin ein Befürworter des Videobeweises. Das muss ja nicht permanent der Fall sein, aber zweimal pro Halbzeit könnte es doch möglich sein“, bekannte der neue Präsident Klaus Hofmann. Für Klaus Allofs, Sportdirektor des VfL Wolfsburg, könnte die Torlinientechnik „ein erster Schritt sein, um den Videobeweis noch einzuführen“.

Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) dürfte man dies gerne hören, auch wenn DFB-Präsident Wolfgang Niersbach weitere technische Hilfsmittel ausschließt. „Die absolute Grenze ist erreicht“, sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei der „Zeit Konferenz Deutsches Wirtschaftsforum“ in Frankfurt.

Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass vor allem Andreas Rettig ein starker Befürworter ist. Nach dem überraschend klaren Votum für das Hawk-Eye-System hielt sich der DFL-Geschäftsführer Spielbetrieb mit Prognosen jedoch zurück. „Strömungen zu beurteilen oder zu bewerten überfordert mich. Die FIFA lässt derzeit den Videobeweis nicht zu“, sagte Rettig. Allerdings verhehlte er nicht: „Wir unterstützen die Kollegen in Holland, die das Pilotprojekt machen.“

In der Ehrendivision gibt es quasi einen fünften Offiziellen. Der „Video-Referee“ sitzt in einem Übertragungswagen und schaut sich dort alle Kamerabilder an. Bei strittigen Entscheidungen wie Abseits oder Handspiel oder bei versteckten Fouls funkt er den Schiedsrichter auf dem Platz an - möglichst innerhalb von 15 Sekunden. „Der Videobeweis ist noch einmal eine ganz andere Thematik. Wir warten erstmal den Prozess ab, wie sich das in Holland entwickelt“, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball zurückhaltend.

Der Weltverband, der die Torlinientechnik bei Großveranstaltungen schon einsetzt, dürfte sich dabei nicht als Bremser erweisen. FIFA-Boss Joseph Blatter hatte sich schon bei der WM-Endrunde in Brasilien offen für die Einführung eines Videobeweises gezeigt. „Wenn es darum geht, ob es ein Elfmeter oder kein Elfmeter war, innerhalb oder außerhalb des Strafraums, ein Foul oder kein Foul, kann der Coach intervenieren“, sagte er im Juni. Nur für strittige Abseitsentscheidungen würde das System nicht greifen. „Man kann die Szene ja schlecht wiederholen lassen“, erklärte Blatter damals.

Nur in Europa regt sich erbitterter Widerstand. UEFA-Präsident Michel Platini setzt seit Jahren auf zwei zusätzliche Torrichter und verweigert sich konsequent gegenüber Hilfsmitteln. Für den Fall, dass die Technik-Revolution weiter voranschreitet, malte der Franzose unlängst eine düstere Zukunft: „Der Videobeweis wird das Ende des Fußballs sein.“ Über die jüngste Zusammenkunft mit dem UEFA-Boss sagte DFB-Chef Niersbach am Freitag: „Michel Platini hat mich bei unserem Treffen in Genf gestern direkt angeknurrt.“

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