Schlappe Olympia-Stimmung in Berlin

Berlin (dpa) - Mit Volksabstimmungen hat der Berliner Senat mehrfach schlechte Erfahrungen gemacht. Der Senat fürchtet das Scheitern seiner ehrgeizigen Pläne. Und setzt auf Aktionismus in letzter Minute.

Schlappe Olympia-Stimmung in Berlin
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Die geplante Teilbebauung des früheren Tempelhofer Flughafens scheiterte an einem Volksbegehren. Geheime Verträge über den Verkauf der Wasserbetriebe mussten nach Volkes Willen veröffentlicht werden. Und nun die Olympia-Bewerbung. Auch hier soll das Volk mitreden. Das beunruhigt die Berliner Landesregierung spürbar. Weiß doch niemand genau, was die Menschen auf der Straße tatsächlich davon halten, ein paar Milliarden Euro ihrer Steuern für ein zweiwöchiges Sportfest auszugeben.

Ob Berlin den deutschen Wettbewerb um die Kandidatur gegen Hamburg gewinnen kann, hängt auch von der Zustimmung in der Hauptstadt ab. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) rechnet sich auf der internationalen Ebene gute Chancen nur mit viel Rückhalt aus der Bevölkerung aus.

Eine seit vergangener Woche laufende Meinungsumfrage soll nun die Stimmung klären. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und sein Senat warfen in den vergangenen Tagen daher alles in die Meinungsschlacht, was an Truppen für weitgehend sinnfreie Veranstaltungen zur Verfügung stand. So hofften Politik, Wirtschaft und die Sportverbände, die zuletzt magere Zustimmungsrate von knapp 50 Prozent deutlich zu erhöhen.

Der Justizsenator verteilte vor Kameras Olympia-Pfannkuchen, der Innensenator zündete eine Olympia-Fackel, der Kultur-Staatssekretär präsentierte Olympia-Kreative, die Arbeitssenatorin versprach Arbeitsplätze, und der Regierungschef lud DOSB-Präsident Alfons Hörmann zu einer Sitzung im Olympiastadion.

Ob das allein reichen wird, scheint fraglich. Führende Senatspolitiker äußerten sich unter der Hand sorgenvoll über die größere Begeisterung in Hamburg. Der Regierende Bürgermeister Müller ging schon vorsichtig auf Distanz: „Ob man die Entscheidung von einer Forsa-Umfrage abhängig machen sollte, da bin ich mir unsicher. Es gibt immer ein paar Nörgler.“

Neben dem Bündnis NOlympia setzten auch diese Nörgler Müller bei einer öffentlichen Debatte Mitte Februar im E-Werk zu. Die berlintypische linksalternative Szene ging das Thema Olympia-Bewerbung mehr krawallig als sachlich an.

Vor dem Gebäude demonstrierten lautstark 20 Gegner. Drinnen sorgten Zwischenrufer für eine hitzige Atmosphäre während des gut dreistündigen Abends mit 300 Besuchern. Unbekannte warfen eine Stinkbombe. „Das ist eine Werbeveranstaltung für die Olympischen Spiele“, rief eine junge Frau empört. „Ich finde es total richtig, dass das hier gestört wird.“

Unterstützer hofften dagegen, dass neue Olympische Spiele das alte Bild der Nazi-Spiele von 1936 überdecken. Die frühere Ausländerbeauftragte Barbara John sagte: „Wenn man Berlin und Olympia hört, denkt man an 1936. Wir haben jetzt die einmalige Chance, vielleicht einmal im Leben, dass das umgekehrt werden kann.“

Die folgende Abstimmung gab möglicherweise auch den Zwischenstand in der gesamten Stadt wieder: ein Drittel dafür, ein Drittel dagegen, ein Drittel unentschlossen. Sollte Berlin sich trotzdem gegen Hamburg durchsetzen, ist für den 13. September eine Volksbefragung aller Berliner geplant. Den spätestmöglichen Termin für die demokratische Beteiligung wählte der Senat nicht ohne Grund. Für Debatten bliebe noch viel Zeit, aber auch für Werbung. Bis September können noch viele Senatoren viele Olympia-Pfannkuchen verteilen.

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