Ausstellung Fotograph Wackerbarth: Die ganze Welt sitzt auf dem roten Sofa

Horst Wackerbarth setzt Menschen weltweit auf seine Couch. Nun wird er sesshaft und stellt Riesenfotos im NRW-Forum aus.

Ausstellung: Fotograph Wackerbarth: Die ganze Welt sitzt auf dem roten Sofa
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Seit über 30 Jahren hat der Düsseldorfer Fotograf Horst Wackerbarth (67) sein rotes Sofa im Gepäck und nimmt Menschen in 53 Ländern auf. Jetzt porträtiert er sie zu Hause auf dem Möbelstück. Vor Eröffnung seiner Retrospektive „heimat.nrw“ im NRW-Forum sprachen wir mit ihm auf dem roten Sitzmöbel.

Zur 70-Jahr-Feier des Landes arbeiten Sie neuerdings für die Landesregierung?

Wackerbarth. Nein, die NRW-Stiftung hat mit ihren Partnern über 80 Bilder gekauft. Die Landesregierung heimst nur die Lorbeeren ein.

Inwiefern?

Wackerbarth: Nordrhein Westfalen ist ein Kunstprodukt. Die Briten wollten das Ruhrgebiet vor dem Zugriff der Franzosen und der Sowjets schützen und Fakten schaffen. Deshalb gründeten sie 1946 NRW. Aber das Land hat ein Identitätsproblem. Niemand nennt sich Nordrhein-Westfale, sondern Rheinländer, Westfale, Sauerländer oder Ruhrgebietler. Diese Menschen fotografiere ich.

Wie kam es 1979 zur Couch als Erkennungszeichen?

Wackerbarth: Ich fuhr mit meinem amerikanischen Freund und Mitarbeiter Kevin Clarke nach New York und schlief im Schlafsack auf ihr, weil sich seine Eltern eine neue Couch zugelegt hatten. Irgendwann hat Kevin die Couch in einen leer gepumpten Swimmingpool gestellt und sich darauf fotografiert.

Das ist also nicht Ihre Idee?

Wackerbarth: Eine Couch durch die Gegend zu schleppen, ist ja noch nichts. Ich setze verschiedene Leute darauf, um sie innovativ aufzuladen. Nach einem Jahr schied Kevin aus, seitdem mache ich es allein.

Haben Sie nicht als Werbefotograf angefangen, mit Schauspielern auf dem Sofa vor dem Theater oder Bier trinkenden Anwälten vor dem Amtsgericht?

Wackerbarth: Stimmt, ich habe 1984 bis Anfang der 90er Werbung gemacht. Als ich merkte, was für ein großes Potenzial in der Couch steckt, habe ich mit der Werbung aufgehört. Sie ist ja Fluch und Segen zugleich. Ein Fluch ist es, weitermachen zu müssen, wobei meine übrigen Arbeiten nicht wahrgenommen werden. Ein Segen ist es natürlich, dass ich ein unverwechselbares Profil habe.

Was haben Sie mit ihr alles angestellt?

Wackerbarth: Ich stand mit ihr auf dem höchsten Berg und unter Wasser. Ich habe sie umgedreht, zerstört und vermüllt. Seit den 90er Jahren mache ich zu jedem Bild ein Video und stelle den Leuten universelle Fragen. 2008 fing ich an, Menschen auf die Couch zu bringen, die sich normalerweise nicht leiden, die Bereitschaftspolizistin neben dem Ultrafußballfan etwa. Es geht nicht nur ums Bild, sondern auch um die soziale Plastik.

Wie viele Werke gibt es?

Wackerbarth: Ich war in 53 Ländern, es sind über 900 Bilder entstanden, und ich habe 1400 Menschen interviewt.

Änderte sich das Konzept?

Wackerbarth: Ja, neuerdings stelle ich die Couch einfach hin und gucke, was passiert. Das war beim Löwenkäfig so und später bei den Nashörnern im Zoo. Ich habe eine Grillparty für 94 Flüchtlinge aus 20 Nationen gegeben und beobachtet, dass Heimbewohner Sofas und Sessel in den Garten stellen und es sich gemütlich machen.

Hannelore Kraft sitzt brav auf dem Sitzmöbel. Ist das nicht etwas wenig?

Wackerbarth: Politiker kommen und gehen. Deswegen mache ich ja in meinen Projekten normalerweise einen großen Bogen um sie. Politiker können unheimlich gut reden, ohne etwas zu sagen. Die Ministerpräsidenten in NRW kommen und gehen, mein Projekt bleibt.

Warum will man aufs Sofa?

Wackerbarth: Wenn die Menschen dort sitzen, sehen sie schön und erhaben aus. Sie bekommen eine Würde. Dann sind sie untauglich, Bürgerkriege zu führen. Der Mensch auf dem Thron wird ernst genommen.

Warum nennt sich die Ausstellung unter Alain Bieber im NRW-Forum „heimat.nrw“, wo Sie doch durch die ganze Welt kutschieren und behaupten, Heimat sei, wo das Sofa stehe? Sind Sie sesshaft geworden?

Wackerbarth: Ich wollte immer weg von Düsseldorf. Durch das NRW-Projekt merke ich erstmals, dass ich gar nicht wegzufahren brauche. In Hamm-Uetendorf fühlt man sich wie in Südindien, wenn sich im Sommer 20 000 Hindus zum Tempelfest aus ganz Europa treffen. Durch die Globalisierung, die Weltwirtschaft, die Europäische Union, die Bürgerkriege und Flüchtlingsströme hat man in NRW die ganze Welt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/Saale Liebe und Hass in der Vorstadt
Zum Thema
Aus dem Ressort