Regierungschef oder Präsident: Beides gleichzeitig geht nicht

Amtsübernahme: Der rechtlich knifflige Weg des Christian Wulff.

Berlin. Der bisherige niedersächsische Ministerpräsident ChristianWulff konnte sein neues Amt nur über einen komplizierten juristischenWeg antreten. Die Staatskanzlei in Hannover hatte schon am Dienstagmitgeteilt, dass der 51-Jährige in diesem Fall vor der offiziellenAmtsannahme in einem Zimmer im Bundestag zwei Briefe übergeben will.

In einem Schreiben an den niedersächsischen LandtagspräsidentenHermann Dinkla (CDU) wollte er mitteilen, dass er mit sofortigerWirkung von seinem Regierungsamt in Hannover zurücktritt. In demanderen Brief wollte er die Amtsgeschäfte vorübergehend seinemStellvertreter, FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode, übertragen.

Erst nach Erfüllung dieser Voraussetzungen konnte Wulff anschließenddie Wahl annehmen. Denn Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatdie Aufgabe, sich vor der Frage, ob der Gewählte die Wahl annimmt,darüber zu informieren, ob ein Gewählter vorher alle Ämter niedergelegthat.

Dieses bislang einmalige Prozedere beschäftigte mehrere TageVerfassungsjuristen in Berlin und Hannover. Grund: In Artikel 55 desGrundgesetzes heißte es: "Der Bundespräsident darf weder der Regierungnoch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landesangehören". Wulff wollte aber bis zum letzten Moment (für den Falleiner Wahlniederlage) seinen Posten als Ministerpräsident behalten.

Besonders kompliziert wurde der Vorgang, weil es derzeit keinamtierendes Staatsoberhaupt gibt. Wäre ein Vorgänger im Amt, wärenmehrere Wochen Zeit für die Übergabe der Amtsgeschäfte geblieben. Wulffhätte dann in aller Ruhe zurücktreten können. Durch den abrupten Abgangvon Horst Köhler war ihm dieser Weg versperrt.

Zitate

Gisela Piltz, die Düsseldorfer FDP-Bundestagsabgeordnete sagt: "Es hat sich heute gezeigt, dass dies sehr wohl eine wirklich demokratische und nicht vorher abgesprochene Wahl gewesen ist. Letztlich zählt für Christian Wulff nur der Sieg. Das ist genauso, als wenn unsere Nationalelf erst im Elfmeterschießen gewinnen sollte."

Iris Preuß-Buchholz, SPD-Landtagsabgeordnete aus Solingen: "Die Linken haben dafür gesorgt, dass ein konservativer Kandidat gewählt wurde."

Jürgen Hardt, CDU-Bundestagsabgeordneter für Wuppertal II, Solingen und Remscheid: "Ich bin maßlos enttäuscht und wütend. Pyromanie ist leider weiter verbreitet als befürchtet. Für mich ist es unverständlich, wie man bei einer solchen Entscheidung die Solidarität in der eigenen Truppe so untergraben kann. Die absolute Mehrheit im dritten Wahlgang ist das versöhnliche Ende eines Parlamentstags, den ich so nicht noch einmal erleben möchte."

Sylvia Löhrmann, Chefin der Grünen-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag: "Was hier heute im Reichstag abgelaufen ist, ist nicht nur eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung, sondern - und dies ist noch wichtiger - das ist lebendige Demokratie. Dies ist ein Erfolg der freien, geheimen Wahl, ein Erfolg der Demokratie, weil sich lange Zeit das Parteidiktat nicht hat durchsetzen können. Alle täten jetzt gut daran, dieses gesetzte zarte Pflänzlein zu hüten und gedeihen zu lassen."

Peter Beyer, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Mettmann, fand den Tag in Berlin sehr aufregend. "Das war spannend bis zum Schluss. Jetzt macht sich freudige Erschöpfung und Erleichterung breit", sagte der Heiligenhauser. "Das Ziel ist erreicht."

Uwe Schummer, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Kreis Viersen, freut sich, dass mit Christian Wulff ein Mann gewählt worden sei, der den Menschen in der Krise ein Anker sein könne. "Dafür hat er die politische Erfahrung, die Herrn Gauck fehlt." Vor dem dritten Wahlgang hätten Kanzlerin Angela Merkel, Roland Koch und Vertreter der Basis "in der Mannschaftskabine" der CDU an den Zusammenhalt appelliert. Der Willicher sagt: "Ich war deshalb überzeugt, dass er im dritten Wahlgang die absolute Mehrheit erhält."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort