NRW-Städte legen sich mit Land an

Städtetag: Die Kommunen lehnen zentrale Reformen ab und drohen gar mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht.

Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Städtetag, das ist der Zusammenschluss der kreisfreien Kommunen im Land, übt massive Kritik an zentralen Reformvorhaben der schwarz-gelben Landesregierung. Der Entwurf zum neuen Kindergartengesetz, die Sprachtests für Vierjährige, die geplante Sparkassenreform, die Kommunalisierung der elf Versorgungsämter und die angekündigten Einschränkungen für die Stadtwerke werden von ihnen entweder komplett oder in wesentlichen Teilen abgelehnt.

Kölns OB fordert Minister Laschet zu Nachverhandlungen auf

"Bei der Kinderbetreuung bleibt das Land klar hinter den Verabredungen zurück. Da muss dringend nachgebessert werden", sagte der Vorsitzende des Städtetags, Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). Die Kommunen befürchten, auf den Kosten für die vielfältigen neuen Konzepte wie Sprachförderung und Familienzentren sitzen zu bleiben. Das Land habe entweder die Kosten gedeckelt oder aber zu wenig Finanzmittel eingestellt, sagte Schramma. Er zeigte sich aber zu Nachverhandlungen bereit. Die hatte auch Familienminister Armin Laschet (CDU) schon angeboten. Für ein völlig neues Verfahren bei den Sprachtests trat die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) ein. Statt des aktuellen Modells, bei dem Grundschullehrerinnen eine Bewertung des Sprachvermögens vornehmen, könne dies den Erzieherinnen in den Kindergärten überlassen werden. Das sei unbürokratisch und vermeide den Ausfall von 100 000 Schulstunden in den Grundschulen. Beim ersten Test waren in diesen Tagen 95 000 Kinder als auffällig eingestuft worden. Sie müssen in eine zweite Testrunde. Bereits seit Wochen laufen die Städte Sturm gegen die Reform der Sparkassen. Zwar liegt der Gesetzesentwurf nicht vor, Finanzminister Helmut Linssen (CDU) hat aber klar gemacht, dass er die Ausweisung des Sparkassenbesitzes als Stammkapital will. Damit werde die Ausschüttungspraxis der Sparkassen gefährdet, so Schramma. Die geben jetzt Geld etwa für Sport- oder Kultureinrichtungen. Die Änderungen beim Stadtwerke-Recht und die Kommunalisierung der Versorgungsämter lehnen die Städte zudem in Bausch und Bogen ab. Dieckmann schloss eine Verfassungsklage nicht aus. Die Opposition wertete gestern die Städte-Kritik als "schallende Ohrfeige für die Regierung Rüttgers", so der SPD-Landtagsabgeordnete Ralf Jäger. "Schwarz-Gelb treibt die Politik gegen die Kommunen auf die Spitze", sagte der Grünen-Abgeordnete Horst Becker.

Kommentar: Eiszeit zwischen Stadt und Land
von Frank Uferkamp

Frank Uferkamp, Westdeutsche Zeitung
So viel Einigkeit war selten: Die kommunale Familie ist in Aufruhr und kennt keine Parteibücher mehr, sondern nur noch ihre eigenen Interessen. CDU-Oberbürgermeister sind ebenso auf den Barrikaden wie ihre SPD-Kollegen. Zusammengeschweißt hat sie die Politik des Landes, die sie als zentralen Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung werten. Nun sind die Städte erprobte Jammerexperten, haben mit ihren Klageliedern über ihre finanzielle Not für eine gewisse Abstumpfung gesorgt. Doch dieses Mal geht es um neue Gesetze. Nach allem, was derzeit vorliegt - dazu gehört das mit Spannung erwartete Sparkassengesetz nicht - scheint klar: Bei der Kinderbetreuung gibt es offenkundige handwerkliche Fehler, die noch zu korrigieren sind. Bei den Stadtwerken hat sich die FDP durchgesetzt, ebenso wie bei den Versorgungsämtern. Und bei den Sparkassen könnte das reale Gesetz weniger schlimm ausfallen, als viele befürchten. Das alles führt aber zu einer Gemengelage, wie es sie lange nicht mehr gab: Zwischen den Städten und dem Land herrscht Eiszeit. Eine Hypothek für Rüttgers und seine Regierung.
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