Düsseldorfer Landtag Expertenanhörung: Das Pro und Kontra der Straßenausbaubeiträge

Düsseldorf · Die Expertenanhörung im NRW-Landtag zu Straßenausbaubeiträge fand vor Zuschauern statt. Beide Seiten haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite.

 Die Reparatur der Straßendecke – bisher teilen sich Stadt und Anlieger die Kosten.

Die Reparatur der Straßendecke – bisher teilen sich Stadt und Anlieger die Kosten.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Die Tribüne im Düsseldorfer Landtag ist voll. Anders als bei so mancher Plenumsdebatte um eine Gesetzesänderung. Obwohl es hier doch „nur“ um eine Expertenanhörung geht. Doch auch die Besucher selbst, so scheint es, sind in dieser Angelegenheit Experten. Weil sie wohl zum größten Teil Betroffene der Straßenausbaubeiträge sind, um die es in dieser gemeinsamen Anhörung von Bau- und Verkehrsausschuss geht. Sie wehren sich politisch gegen den ihnen drohenden Beitrag.

Ausschussvorsitzender Hans-Willi Körfges (SPD) weiß, dass da viele Emotionen im Spiel sind. Gleich zu Sitzungsbeginn weist er darauf hin, dass Applaus oder das Zeigen von Plakaten im Landtag verboten sei. Und doch hält das die auf der Tribüne sitzenden Zuschauer, zum allergrößten Teil Befürworter einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, nicht davon ab, den Experten zu applaudieren, die ihr Anliegen teilen. Und den anderen ihr Missfallen zu Gehör zu bringen.

Argumente für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

Lydia Schumacher aus dem Eifelstädtchen Schleiden ist Sprecherin der Bürgerinitiative „Schöne Straßen an leeren Häusern“. Was der Name sagen will, macht sie denn auch in ihrem leidenschaftlichen Appell an die Landtagsabgeordneten deutlich: Dass nämlich Hausbesitzer von dem erhobenen Beitrag finanziell so weit erdrückt werden können, dass sie ihr Haus aufgeben. Auch junge Familien würden nicht „zu uns aufs Land ziehen“, wenn ihnen dann gleich so hohe finanzielle Lasten drohten.  Sie schildert verschiedene Härtefälle aus ihrer Stadt. Wie etwa den einer 72-Jährigen, die zunächst bei einem Enkeltrick um viel Geld geprellt worden sei und dann jetzt auch noch den Straßenausbaubeitrag stemmen solle.

„Wir fühlen uns überrannt, wenn Bagger kommen und wir nichts machen können. Und finanziell kommt das für uns einer Enteignung gleich“, sagt Schumacher. Hinzu komme noch, dass ein Großteil der Einnahmen aus den Beiträgen für die Verwaltungskosten draufgehe und auf diese Weise selbst die Rechnung der Kommune nicht aufgehe.  Nach ihrem Plädoyer brandet Beifall von der Tribüne. Es folgt einer von mehreren Ordnungsrufen des Ausschussvorsitzenden.

Das Thema Kosten-Nutzen-Aufwand hatte vorher auch schon der Bund der Steuerzahler ins Spiel gebracht und dies am Beispiel von Bielefeld vorgerechnet.  Dort würden von der Stadt jährlich 1,4 Millionen Euro an Straßenausbaubeiträgen eingenommen. Der dabei entstehende Verwaltungsaufwand inklusive der Widerspruchs- und Klageverfahren werde von 15 Mitarbeitern abgedeckt, der Personalaufwand betrage 780 000 Euro im Jahr. Ertrag und Aufwand stünden in einem deutlichen Missverhältnis. Bernd Essler, auch einer der im Landtag angehörten Experten, kommt in einer Art Doppelfunktion und wird von seinen Parteifreunden von der AfD mit an ihn gerichteten Fragen ins Spiel gebracht. Essler ist nämlich nicht nur als Stadtrat in Düren und für die Landes-AfD aktiv, sondern gleichzeitig auch Vizechef des „Vereins für Kommunalpolitik“. In dieser Funktion macht er sich für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge stark. Sein Argument: Die Bürger seien ohnehin  hoch genug belastet mit Steuern diverser Art. Schon dadurch hätten sie Anspruch auf Gegenleistung. Da sie bereits bei der erstmaligen Erschließung des Grundstücks zur Kasse gebeten worden seien, sei es nur folgerichtig, wenn die weitere Erhaltung und Erneuerung dann von der Allgemeinheit getragen werde.

Aber wer konkret soll die bisher von den Anliegern gezahlten Beiträgen übernehmen, wenn sie abgeschafft werden? Das Land sei in der Pflicht, sagen die Befürworter einer Abschaffung. Der Steuerzahler generell und nicht der einzelne Grundstückseigentümer. Doch gegen diese Verlagerung gibt es Widerstand. Und der kommt von der anderen „Fraktion“ der Experten, die im Landtag gehört werden.

Argumente gegen die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

Besonders pointiert bringt Gerd Thielmann vom  Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz die Argumente auf den Punkt. Durch die Abschaffung der Straßenbeiträge würde es ein Stück weit zu einem Aushöhlen der kommunalen Finanzhoheit durch stärkere Abhängigkeit vom Land kommen. Das Land werde dann über den gemeindlichen Straßenausbau zumindest mit entscheiden. Dass der Landesetat jährlich „nur“ mit 112 bis 127 Millionen Euro belastet würde, wie bisher errechnet worden ist, stimme nicht. Nach seinen Berechnungen kommt Thielmann sogar auf einen Milliardenbetrag.

Vehement stemmt sich auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW gegen das Vorhaben, die Kosten aufs Land zu verlagern. Zu der Arbeitsgemeinschaft zählen Städtetag, Landkreistag sowie der Städte- und Gemeindebund. Insbesondere Experte Hilmar von Lojewski trägt entschieden die Argumente vor, die dagegen stünden. Auch er stellt die bisher veranschlagten Kosten für das Land als zu niedrig in Zweifel. Denn die Kommunen würden in den kommenden Jahren massive Investitionen in ihre Verkehrsinfrastruktur tätigen. Schließlich seien viele Straßen aus den 1950er bis 1970er Jahren mittlerweile verschlissen und erneuerungsbedürftig. Die Arbeitsgemeinschaft rechnet daher eher mit Kosten im hohen dreistelligen Millionenbereich. Vor diesem Hintergrund haben die kommunalen Spitzenverbände Zweifel daran, dass das Land die Kosten dauerhaft 1:1 übernehmen würde und könnte. Die Städte und Gemeinden wären vielmehr vom Wohlwollen des Landes und dessen Finanzsituation abhängig. Das lehne man schon aufgrund des hohen Guts der kommunalen Selbstverwaltung ab. Weil gleichzeitig die Kommunen weiterhin ihren gesetzlichen Verpflichtungen wie etwa Verkehrssicherungspflichten und der Sicherung der Erschließung nachkommen müssten, wären sie im Falle einer Abschaffung und der zu erwartenden nicht auskömmlichen Gegenfinanzierung durch das Land gezwungen, auf andere Finanzierungsmöglichkeiten zurückzugreifen. Etwa die Anhebung der Grundsteuer. Wenn keine Kostenbeteiligung der Anlieger mehr vorgesehen sei, sei außerdem zu befürchten, dass die Erwartungshaltung der Bürgerschaft an einen Straßenneubau deutlich nach oben schnellen werde und regelrechte Verteilungskämpfe um die Geldmittel entstünden.

Wie es nun weitergeht in der politischen Diskussion

Mit all diesen Argumenten werden sich die Landtagspolitiker nun zunächst in den Ausschüssen und dann in den kommenden Monaten auch im Plenum befassen. Die Politiker haben nun jedenfalls viel Material für die Debatte mit ihrem Pro und Kontra. Die SPD setzt sich an die Spitze der Gegner des Beitrags und hat auch bereits einen eigenen Gesetzentwurf für dieses Vorhaben formuliert.

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