Landesdelegiertenkonferenz der Grünen Die NRW-Grünen sollen „ein bisschen mehr Volker wagen"

Der scheidende Bundestagsabgeordnete Volker Beck wird auf dem Landesparteitag für seinen Erfolg bei der Ehe für alle gefeiert. Der Landesverband beschließt nach der Wahlniederlage eine inhaltliche und strukturelle Erneuerung.

Volker Beck während seiner Rede bei der Landesdelegiertenkonferenz in Dortmund.

Volker Beck während seiner Rede bei der Landesdelegiertenkonferenz in Dortmund.

Foto: Henning Kaiser

Dortmund. Wie beginnt man die Aufarbeitung einer Niederlage? Am besten mit einem politischen Sieg. Auf dem Landesparteitag der Grünen in Dortmund wird Volker Beck nach der tags zuvor im Bundestag beschlossenen Ehe für alle gleich vor und nach seiner Rede mit Standing Ovations gefeiert. „Gestern hat der Bundestag Menschenrechtsgeschichte geschrieben“, sagt der Landesvorsitzende Sven Lehmann. „Das ist ein großer Erfolg für Volker Beck.“

Für einen Moment scheint da vergessen, dass es dieselbe Landespartei ist, die jenem Volker Beck noch im Dezember vergangenen Jahres einen aussichtsreichen Listenplatz für die erneute Bundestagskandidatur verweigerte. So wird der Kölner Abgeordnete und jahrelange Streiter für die Rechte von Schwulen und Lesben im September nach 23 Jahren aus dem Bundestag ausscheiden. Zumindest bei der Ehe für alle darf er zum Abschied bilanzieren: „Mission completed“. Und der Sprecher des Kreisverbandes Duisburg, Felix Banaszak, adelt ihn noch mit dem Nachruf, die Landespartei solle als eine Konsequenz aus der herben Wahlniederlage im Mai „ein bisschen mehr Volker wagen“.

Gemeint ist damit wohl: mit den politischen Inhalten nicht nach dem Mainstream schielen, sondern bereit sein, anzuecken. „Am Ende haben wir den Mainstream bestimmt und gestaltet“, sagt Beck in seinem Rückblick auf die Diskussion um die Ehe für alle. Er wünsche sich, dass die Partei dort Motor sei, „wo Menschen es schlecht haben“.

Anderthalb Monate nach dem Wahldebakel schwanken die Grünen aber noch sichtlich zwischen Wundenlecken und Neuorientierung. Mit großer Mehrheit nehmen die Delegierten einen Antrag des. Landesvorstands an, der noch einmal rückblickend die Fehler benennt und die inhaltliche wie strukturelle Erneuerung skizziert. Lehmann streicht als vier zentrale Gründe für die Niederlage heraus: ein verblasstes Profil, Fehler bei der Umsetzung der im Kern weiter als richtig empfundenen Schul- und Inklusionspolitik, zu viele Eingriffe in die Lebensweise der Menschen und eine zu sachliche, zu unverständliche und zu wenig fokussierte Kampagne.

Für den Neustart haben sich die NRW-Grünen viel vorgenommen: Sie wollen eine „Mitmachpartei“ (Lehmann) werden, die Menschen auch über die Mitgliedergrenzen hinaus einbindet. Dazu sollen im ersten Halbjahr 2018 regionale Foren ausgerichtet werden. Schon Ende dieses Jahres ist eine öffentliche Veranstaltung zur Neuausrichtung der grünen Schulpolitik geplant. Bis zum Landesparteitag im kommenden Jahr ist der Vorstand aufgefordert, Vorschläge zur besseren Einbindung der Basis und der thematischen Landesarbeitsgemeinschaften vorzulegen, die als eine Art Denkfabriken verstanden werden.

Das alles erfolgt unter erheblichem Finanzdruck, denn die Wahlniederlage hat auch unmittelbare finanzielle Folgen: Die staatliche Teilfinanzierung wird sich entsprechend dem geringeren Stimmenanteil um jährlich 170.000 Euro reduzieren. Durch geringere Mandatsbeiträge werden schon dieses Jahr weitere knapp 140.000 Euro in der Kasse der Landespartei fehlen.

Und der Neustart erfolgt auch unter Zeitdruck: nicht nur wegen der Bundestagswahlen im September, sondern auch wegen der Kommunalwahlen 2020, die die Basis schaffen sollen, um bei den Landtagswahlen 2022 zu alter Stärke zurückzukehren. Diesen Anspruch artikuliert die halbierte Landtagsfraktion schon jetzt. „Wir streben die Oppositionsführerschaft an“, erklärt der neue Fraktionsvorsitzende Arndt Klocke. Und seine Amtskollegin Monika Düker läuft sich dafür bereits warm: Das Bekenntnis des neuen FDP-Energieministers Andreas Pinkwart zum Klimaschutz nennt sie „verlogen und unglaubwürdig“, wenn er sich zugleich zu einem Energiemix mit fast 50 Prozent Braunkohleanteil bekenne.

Die Grünen ein politisches Auslauf- oder Zukunftsmodell? Für die Landesvorsitzende Mona Neubaur ist das an ihrem 40. Geburtstag keine Frage: „Wir wollen nicht der Verbrennungsmotor des 3. Jahrtausends sein.“

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