NRW 70 Jahre Rhein, Ross und Rose: Der Trick mit dem Bindestrich

Rheinland, Westfalen und Lippe feiern am Dienstag ein Satzzeichen, das sie verbindet. Und ebenso verlässlich trennt.

Symbolbild

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Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Von oben betrachtet ist an Nordrhein-Westfalen nichts so beeindruckend wie der Rhein. Auf einer Länge von 226 Kilometer durchzieht er das Land. In ihm spiegeln sich abends seine prächtigsten Städte, und seine schönsten Kurven und Schleifen macht er in der Landeshauptstadt.

Was dem Rheinländer das Herz aufgehen lässt, bedeutet dem Westfalen herzlich wenig, und auch noch 70 Jahre nach der Gründung des Bindestrich-Landes kann er sich darauf verlassen, dass 226 Rheinkilometer politisch nicht aufzuwiegen vermögen, was der 284,68 Kilometer lange Grenzverlauf zwischen dem Rheinland und Westfalen an verlässlicher Trennung bewirkt. Spektakulär scheiterte an dieser Grenze noch im Jahr 2012 die Zwangsfusion des Rheinischen und des Sparkassenverbands Westfalen-Lippe aufgrund „sehr unterschiedlicher Strukturen“.

Die Pleite ging auf das Konto der CDU, die aus ihrer eigenen Geschichte (erst 1986 gelang die Fusion beiden Landesverbände Westfalen-Lippe und Rheinland) hätte ahnen können, dass „wir“ in NRW natürlich immer „wir, die anderen und die Lipper“ bedeutet.

Um Letztere kurz abzuhandeln: Viel spricht dafür, dass die Lipper Rose im Landeswappen in Wahrheit einen „Pickert“ darstellt, eine klebrige Art Kleinst-Pfannkuchen, der mit Leberwurst bestrichen wird. „Lippische Gastlichkeit“ beschreibt der Westfale so: „Komm nach dem Mittagessen, dann bist Du zum Kaffee wieder zuhause.“ Das ist, muss man anerkennen, für Westfalen schon eine sehr humorige Bemerkung.

Darüber, dass die rheinischwestfälische Einheit den Hang beider Landesteile zum Separatismus nicht überwindet, wachen in NRW vor allem die beiden Landschaftsverbände Rheinland (LVR) mit Sitz in Köln und Westfalen-Lippe (LWL) mit Sitz in Münster (die Lipper haben daneben noch einen eigenen Verband, in dem sie seit 1947 einen Teil des früheren lippischen Staatsvermögens verstecken).

Diese Trennungs- Konstruktion ist eine westfälische Ross-Täuscherei (deshalb der Gaul im Wappen). Denn die Landschaftsverbände sind Erben der Provinzialverbände der Preußen-Provinzen Rheinland und Westfalen, einst sogar in direkten Wahlen bestimmt.

Preisfrage: Wozu genau braucht man Landschaftsverbände, die Museen, Kliniken, Landesjugendämter, Vollzugseinrichtungen, und, und, und mit Milliarden-Euro-Etats unterhalten, wenn es gleichzeitig in NRW fünf Regierungsbezirke mit fünf voll ausgestatteten Regierungspräsidien und -Präsidenten gibt?

Die Antwort ist so naheliegend (natürlich um die Trennung aufrecht zu erhalten!), dass die Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU) beide nicht darauf kamen und an einer Strukturreform verlässlich scheiterten. Denn in NRW funktioniert der Bindestrich.

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