Bundespräsident Gezerre um Gauck-Nachfolge in vollem Gange

Spekulationen sorgen für politische Betriebsamkeit in Berlin / Fingerzeig für Rot-Rot-Grün?

Bundespräsident Joachim Gauck.

Bundespräsident Joachim Gauck.

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Berlin. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich offenbar entschieden, nicht für eine zweite Amtsperiode zu kandidieren. Prompt schießen die Personalspekulationen ins Kraut. Dabei geht es auch um ein Signal für eine neue Regierungsbildung nach der nächsten Bundestagswahl.

Wirklich sicher ist bislang nur, dass die nächste Bundesversammlung zur Wahl des Staatsoberhauptes am 12. Februar 2017 zusammentritt - rund ein halbes Jahr vor dem nächsten regulären Urnengang im Bund. Joachim Gauck, seit 2012 in diesem Amt, hat dem Drängen aus der Politik lange Zeit standgehalten, sich klar zu erklären, ob er noch einmal antritt oder nicht. Gauck, inzwischen 76 Jahre alt, ist beliebt in der Bevölkerung. Einer aktuellen Umfrage zufolge wünschen sich immerhin 70 Prozent der Bundesbürger, dass er weitermacht.

Noch im April vertröstete der einstige DDR-Bürgerrechtler die Öffentlichkeit mit dem Hinweis: "Lassen sie uns mal den Frühsommer kommen, und dann werde ich mich entschieden haben". Der kalendarische Sommerbeginn ist der 21. Juni. Doch nun kommt seine Entscheidung offenbar deutlich früher. Jüngsten Presseberichten zufolge, die vom Bundespräsidialamt nicht dementiert wurden, könnte Gauck schon an diesem Montag oder Dienstag seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bekanntgeben.

Indizien dafür gibt es schon länger. So ist es kein Geheimnis, dass Gaucks Lebensgefährtin, die Journalistin Daniela Schadt (56), wenig begeistert von einer weiteren Amtsperiode wäre. Gauck selbst hatte bereits im März bei einer China-Reise über seine "eigenen physischen und psychischen Kräfte" sinniert, die bei der Entscheidung bedacht werden müssten. Am Ende einer regulären zweiten Amtszeit wäre Gauck 82 Jahre alt, und der Variante, mittendrin Schluss zu machen, kann er offenbar nichts abgewinnen.

Zweifellos wäre Angela Merkel (CDU) eine Fortsetzung der Präsidentschaft Gaucks lieber. Mit der Flüchtlingskrise, den unionsinternen Querelen und dem Erstarken der AfD hat die Kanzlerin schließlich schon genug Probleme am Hals. Spekuliert wird, dass die Union mit einem eigenen Kandidaten antreten könnte. Im Gespräch dafür sind bereits Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Das Problem ist allerdings, dass keine Partei, auch nicht die Union, über eine absolute Mehrheit in der Bundesversammlung verfügt und eine Entscheidung dort womöglich erst in einem dritten Wahlgang fallen könnte. Dann zählt nur noch die einfache Mehrheit für einen Kandidaten. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach warnte gegenüber unserer Zeitung deshalb schon vor unbedachten Alleingängen: Die entscheidende Frage sei, welcher Bewerber die höchste Akzeptanz auch über die Union hinaus habe. "Wir sind gut beraten, auch mit anderen Parteien zu sprechen. Denn wenn man mit keiner anderen Partei spricht, besteht auch die Möglichkeit, dass sich andere Partei zusammentun", sagte Bosbach.

Der SPD-Führung käme ein Verzicht Gaucks ebenfalls ungelegen. Zwar will man sich durchaus stärker gegen die Union profilieren. Ein eigener Kandidat - hier kursiert Außenminister Frank-Walter Steinmeier als mögliche Variante - hätte aber nur dann realistische Chancen, wenn er auch von Grünen und Linken akzeptiert werden würde.

Wirklich elektrisiert von der Möglichkeit eines rot-rot-grünen Kandidaten sind bislang freilich nur die Linken. Zum einen, weil sie mit Gauck schon wegen dessen früherer Rolle als Chef-Aufklärer der Stasi-Machenschaften nie warm geworden sind. Und zum anderen, weil es für die Partei auch ein Signal im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl wäre. Die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger waren deshalb gleich mit einer klaren Botschaft aus der Deckung gekommen: "Jetzt ist es Zeit, Farbe zu bekennen. Wir fordern SPD und Grüne auf, eine gemeinsame Kandidatin oder einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken".

Die Spitzen der Grünen wiederum hielten sich am Wochenende bedeckt. Auch sie würden Gauck gern weiter im Amt sehen. Die Lage für die Partei ist aber insofern komfortabel, als Union und SPD auf sie zukommen müssen, um jeweils mögliche Nachfolger durchzusetzen. Diese Schlüsselrolle soll nicht durch Vorfestlegungen beeinträchtigt werden. Grünen-Chefin Simone Peter meinte gestern lediglich: "Bevor sich Joachim Gauck nicht offiziell erklärt hat, werden wir uns nicht äußern."

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