Nato nimmt Syrien ins Visier

Türkei berät mit Bündnis über gemeinsames Vorgehen.

Brüssel/Damaskus. Seit dem Ausbruch der Syrien-Krise hat die Nato politische Enthaltsamkeit geübt. Nur einmal, vor zwei Monaten, unterrichtete der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu die Kollegen über die Lage an der syrisch-türkischen Grenze.

Ansonsten galt: Das Thema steht nicht auf der Tagesordnung, und auch auf den Fluren und bei gemeinsamen Mahlzeiten wird darüber nicht gesprochen. Mit immer wieder demselben Argument wehrte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Frage ab, wieso das brutale Vorgehen des Machthabers Gaddafi gegen das libysche Volk der Nato eine Intervention wert war, das brutale Vorgehen des Machthabers Assad gegen die Syrer aber nicht: Für den Libyen-Feldzug gab es einen UN-Auftag, im Falle Syriens wird der durch Russland und China blockiert.

Der Abschuss eines türkischen Kampf-Flugzeugs durch die syrische Luftabwehr am Freitag hat das Schweigegebot schlagartig hinfällig werden lassen: Auf Antrag Ankaras beraten die 28 Verbündeten heute, wieweit Sicherheit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Türkei bedroht sind. Ein solches Konsultationsverfahren sieht der Nordatlantik-Pakt in seinem Artikel IV vor. Anders als im „Bündnisfall” des Artikels V ist dabei noch nicht von gemeinsamem Handeln die Rede, eine Automatik in diese Richtung gibt es nicht.

Das Geschehene ist unklar. Die Türkei hat eingeräumt, dass die Phantom F-4 kurzzeitig in syrischen Luftraum eingedrungen war, bevor sie über internationalem Gewässer abgeschossen worden sei. Damaskus spricht von einer Verletzung seiner Souveränität: Die Maschine sei beim Abschuss über syrischem Territorium gewesen. Das lässt verschiedene Deutungen zu, zum Beispiel, dass die Türken die Fähigkeiten der eigenen Luftwaffe und der syrischen Abwehrsysteme testen wollten. Aber auch, dass die Syrer irrtümlich glaubten, einen weiteren Deserteur auf dem Radar zu haben.

Nato-Vertreter weisen darauf hin, dass jeder Verbündete das Recht habe, eine Beratung nach Artikel IV zu verlangen. Soll heißen: An der Position der Allianz insgesamt hat sich nichts geändert. Das gilt aber nur für die Absage an eine militärische Intervention. Politisch wird die Nato nun erstmals genauer Farbe bekennen müssen.

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