529 Todesurteile bei Massenprozess gegen Islamisten in Ägypten

Minia/Kairo (dpa) - Paukenschlag im Massenprozess gegen Islamisten in Ägypten: Ein Gericht in Minia verurteilte am Montag gleich 529 Angeklagte unter anderem wegen Mordes zum Tode. Es ist der Prozess mit der bisher höchsten Zahl von Todesurteilen in der Geschichte des Landes.

Wegen der Teilnahme an Protesten im Sommer 2013 sind 528 Islamisten zum Tode verurteilt worden. Foto: Khaled Eman

Wegen der Teilnahme an Protesten im Sommer 2013 sind 528 Islamisten zum Tode verurteilt worden. Foto: Khaled Eman

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16 Angeklagte wurden nach Angaben der Justiz freigesprochen. Ägyptische Menschenrechtler sprachen in ersten Reaktionen von einem Skandalurteil. Auch die USA zeigten Unverständnis. In Kairo wurde indes der Prozess gegen mehrere Mitarbeiter des internationalen Fernsehsenders Al-Dschasira, unter ihnen der Australier Peter Greste, auf den 31. März vertagt.

Die Staatsanwaltschaft in der oberägyptischen Stadt Minia hatte den Islamisten die Teilnahme an gewalttätigen Protesten und Mord vorgeworfen. Die Urteile sind noch niUJcht rechtskräftig. Auch befinden sich derzeit nur 135 Verurteilte im Gewahrsam der Justiz. Die übrigen Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt.

Nach Angaben der Webseite „deathpenaltyworldwide“ sind in Ägypten zwischen 1981 und 2000 insgesamt 709 Menschen zum Tode verurteilt und 248 von ihnen hingerichtet worden. Auch die Zahl der Angeklagten ist rekordverdächtig. Insgesamt bezog sich die Anklageschrift auf mehr als 1200 Personen.

Die Islamisten in der Provinz Minia hatten im Sommer 2013 gegen die Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär demonstriert. Mursi-Anhänger machten damals im ganzen Land ihrer Empörung über die Absetzung des gewählten Staatschefs Luft. Nach der blutigen Zerschlagung ihrer Protestlager in Kairo und Alexandria durch die Sicherheitskräfte mit mehr als 1000 Toten kam es in der Provinz Minia zu Unruhen mit Todesopfern.

Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten den Mord an einem stellvertretenden Bezirks-Polizeikommandeur, Angriffe auf Regierungsgebäude und Brandschatzung von Kirchen der christlichen Kopten vor. Das Verfahren in Minia wurde ungewöhnlich zügig durchgezogen. Die Verurteilungen erfolgten bereits am zweiten Verhandlungstag. Die Verteidigung beanstandete, sie habe keine Gelegenheit gehabt, ihre Argumente vorzubringen.

Da die Anklageschrift über 1200 Personen betraf, war das Verfahren auf zwei Gruppen aufgeteilt worden. Der Fall von 600 weiteren Angeklagten soll am Dienstag verhandelt werden. Unter ihnen ist auch das Oberhaupt der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie. Der gestürzte Präsident Mursi, gegen den mehrere Strafverfahren in Kairo laufen, stammt gleichfalls aus der Muslimbruderschaft.

Die US-Regierung und Menschenrechtler kritisierten das Urteil vom Montag scharf. „Es widerspricht jeder Logik, dass über 529 Angeklagte innerhalb von zwei Tagen nach internationalem Standard verurteilt werden können“, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, in Washington. Politisch motivierte Inhaftierungen und Verurteilungen würden einen Übergang zur Demokratie nur erschweren.

Gamal Eid, Direktor des Arabischen Netzwerks für Menschenrechtsinformationen (ANHRI), sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Selbst wenn es in der Berufung abgeändert werden wird, so wird dieses Katastrophenurteil einen Schatten auf die ägyptische Justiz werfen.“ Die Nahost-Vizedirektorin von Amnesty International, Hassiba Hadj Sahraoui, sprach von einem „Massen-Todesurteil in einer Dimension, wie wir es vorher nirgends gesehen haben, weder in Ägypten noch sonstwo in der Welt.“

Im Prozess gegen Al-Dschasira-Mitarbeiter hörte das Gericht in Kairo indes einige Ermittler als Zeugen an. Sie hatten den australischen Reporter Peter Greste, den kanadisch-ägyptischen Bürochef Mohammed Fahmy und den ägyptischen Produzenten Baher Mohammed Ende des Vorjahres in Kairo verhaftet.

Die Staatsanwaltschaft wirft den insgesamt 20 Angeklagten Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise deren Förderung vor. Außerdem sollen sie „falsche Nachrichten zur Schädigung des Ansehens Ägyptens“ verbreitet haben. Gegen die meisten Angeklagten wird in Abwesenheit verhandelt.

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