Sicherste Apotheke Deutschlands: Fast wie bei James Bond

In der sichersten Apotheke Deutschlands lagern unterirdisch Medikamente für 750 000 Soldaten.

Sicherste Apotheke Deutschlands: Fast wie bei James Bond
Foto: Steve Przybilla

Blankenburg. An der Pforte zur Unterwelt steht ein Wachmann mit Pistole. Er sichert eine weiß lackierte Panzertür, 1,2 Meter dick, mehr als 100 Tonnen schwer. Per Knopfdruck öffnet sie sich, hydraulisch: Eine Sirene schrillt durch die Gänge, eine Lampe blinkt. Drei Minuten, dann macht es klack. Der Stahlkoloss steht still. Ruhe.

„Bei uns ist es ein bisschen wie bei James Bond“, sagt Kommandant Hartmut Berge und betritt die größte unterirdische Apotheke der Welt. Sie liegt tief unter der Erde, auf dem Gelände der Harz-Kaserne in Blankenburg, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Von hier aus gehen jeden Tag mehr als 100 Kisten mit Medikamenten raus an die Truppe — das sind 75 000 Soldaten in der Heimat, aber auch in Krisen- und Kriegsgebieten.

Unter Tage ist es frisch: Eine Klimaanlage sorgt dafür, dass das Thermometer nie über 19 Grad klettert, pumpt täglich 40 000 Kubikmeter Frischluft in die Gänge. Schließlich soll es in den 8000 Meter langen Stollen, die sich ins Felsmassiv „Regenstein“ bohren, nicht modrig werden.

„Das Schlimmste, was Sie Arzneimitteln antun können, ist Stress“, sagt Kommandant Berge und meint damit starke Temperaturschwankungen. Der 49-Jährige trägt keinen weißen Kittel, sondern Uniform. Als „Oberfeldapotheker“ ist er der Chef von Deutschlands sicherstem Pillen-Depot, das keine Granate und noch nicht einmal eine Atombombe sprengen könnte.

120 Mitarbeiter, vor allem Soldaten, arbeiten hier. Eine von ihnen ist Anne Schulz. Sie dient als pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA), hat sich für zwölf Jahre verpflichtet. Nach ihrer Grundausbildung machte sie eine Ausbildung zur PTA — insgesamt 30 Monate, davon sechs in einer zivilen Apotheke. Heute ist sie für den Wareneingang in Blankenburg zuständig: Lieferscheine kontrollieren, Medikamente auspacken, Schäden reklamieren.

An der Decke flackert ein Neonlicht, in den Gängen hängen Sauerstoffmasken und Warnschilder: Rauchen verboten. Die Sonne sehen die Soldaten an ihrem Arbeitsplatz nur selten. Und was unterscheidet eine militärische Apotheke sonst noch von einer zivilen? „Man muss niemanden beraten, so wie in einer zivilen Apotheke.“ Für sie ist das Medikamentenlager eher wie eine große Internet-Versand-Apotheke. „Nur die Mengen, die rausgehen sind anders — sie sind riesig“, lacht sie.

Jeden Monat verlassen Tausende Kartons per Lastwagen die Tunnel, die 1944 von KZ-Häftlingen gegraben wurden und in denen die Nazis ursprünglich ihre „Wunderwaffe“ V2 bauen wollten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs diente der Bunker 30 Jahre lang als Obst- und Gemüselager, bevor ihn die Nationale Volksarmee der DDR als atombombensicheres Munitionslager ausbaute. Seit 1992 nutzt ihn die Bundeswehr als Medikamenten-Depot. „Versorgungs- und Instandsetzungszentrum Sanitätsmaterial“, wie es im Bundeswehr-Fachjargon heißt.

In den Regalen, die viele Hundert Meter lang sind, stapeln sich Pakete mit Kopfschmerztabletten, Hustensaft und Hautcremes, außerdem Verbandsmaterial und Blutdruckmittel. In Mega-Kühlcontainern lagern Impfstoffe, in Seitengängen stehen Feldbetten und Kartons mit EKG-Geräten — geschätzt mehr als 4000 medizinische Produkte.

Auch Monique Heß (33) arbeitet gern 80 Meter unter der Erde, dort, wo sich an manchen Stellen noch alte Bahngleise in düstere Gänge verlieren und die Mitarbeiter sich aufs Fahrrad schwingen, wenn sie mal zur Toilette müssen. Ein Grund: Sie hat geregelte Arbeitszeiten und einen guten Sold.

Natürlich arbeiten auch Zivilisten in Blankenburg. Alina Uljanizkij trägt keine Uniform, hat sich aber schnell an den militärischen Alltag gewöhnt: „Ich wollte immer zur Bundeswehr“, sagt die 17-Jährige, die mitten in ihrer Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Assistentin steckt.

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