Entscheidung zum Böhmermann-Fall sorgt für heftige Reaktionen
Berlin (dpa) - Die Entscheidung der Bundesregierung, ein Strafverfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan zuzulassen, spaltet die Gemüter.
Der frühere Bundestagspräsident und SPD-Politiker Wolfgang Thierse begrüßte den Entschluss, obwohl die Minister der SPD dagegen waren. „Ich halte es für richtig, dass Richter über das sogenannte Gedicht von Herrn Böhmermann entscheiden“, sagte Thierse der „Saarbrücker Zeitung“. „Die Bundesregierung hatte keinen Anlass, dies zu verhindern.“
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach übte hingegen deutliche Kritik: „Ich bedauere die Entscheidung und hoffe, dass der Türkei eine Lektion in puncto Meinungsfreiheit erteilt wird“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Samstag). „Ich gehe jedenfalls nicht davon aus, dass man Böhmermann verurteilt.“
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt lobte in der „Bild“-Zeitung: „Kanzlerin Merkel hat gleich zweimal recht: Erstens lässt sie die Strafverfolgung zu. Das ist in einem Rechtsstaat auch selbstverständlich. Zweitens schafft sie den überflüssigen Majestätsbeleidigungsparagrafen ab. Das ist längst überfällig.“
Schauspieler Til Schweiger zeigte sich im dem Blatt fassungslos. „Was ich von Jan Böhmermann halte, ist hinlänglich bekannt — gar nichts. Aber wie unsere Regierung hier vor einem Präsidenten kuscht, der in seinem Land die Meinungsfreiheit mit den Füßen tritt — uns aber gleichzeitig sagt, wir sollen uns aus seiner Politik raushalten — das macht mich fassungslos“, sagte Schweiger der „Bild“-Zeitung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die deutsche Justiz am Freitag ermächtigt, gegen Böhmermann zu ermitteln. Damit gab die CDU-Chefin einem Antrag Erdogans statt - und setzte sich zugleich mit einem Machtwort über den Willen ihres Koalitionspartners SPD hinweg. Im Rechtsstaat sei es nicht Sache der Regierung, sondern unabhängiger Gerichte, Persönlichkeitsrechte gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen, sagte Merkel.